SWR2 Buch der Woche vom 28.10.2018

Volker Hage: Des Lebens fünfter Akt

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Volker Hage zeichnet in seinem biographischen Roman „Des Lebens fünfter Akt“ aus bekannten und bislang gesperrten Quellen ein stimmiges und einfühlsames Bild des Schriftstellers Arthur Schnitzler in seinen letzten Lebensjahren.

Das Buch beginnt mit dem tragischen Tod seiner geliebten Tochter Lili und beschreibt sehr anschaulich sowohl die Trauarbeit des Vaters als auch das Geflecht von Beziehungen zu ganz unterschiedlichen Frauen, die den traurigen Mann allerdings nur bedingt aufheitern können.

Ein Mann der Schrift in vielen Facetten

Volker Hage, geboren 1949, ist wohl das, was man einen Homme de lettres nennt, ein Mann der Schrift, der in ganz unterschiedlichen Bereichen des Schreibberufes zu reüssieren weiß. Er begann seine journalistische Karriere bei der Frankfurter Allgemeinen, er leitete die Literaturredaktion der „Zeit“ und später die des „Spiegel“.

Hage schrieb aber nicht nur in der Presse über Schriftsteller und deren Literatur, er veröffentlichte auch zahlreiche biographische Bücher etwa über Max Frisch, Philip Roth und John Updike. Internationale Beachtung erhielt Hage mit dem zeithistorischen Werk „Zeugen der Zerstörung. Die Literaten und der Luftkrieg“. Seit 2015 wagt sich Hage auch an die Fiktionalisierung seiner Stoffe.

Die Handlung beginnt mit dem Suizid der Tochter

Sein neues Werk ist wiederum ein Roman, der aber gleichsam journalistische und literarische Fähigkeiten des Autors verbindet. „Des Lebens fünfter Akt“ heißt das Buch, das die letzten Lebensjahre des berühmten Wiener Schriftstellers Arthur Schnitzler erzählt. Der Roman beginnt mit dem Suizid seiner Tochter Lili in Venedig. Die psychisch labile Frau, die schon oft mit dem Gedanken gespielt hat, sich das Leben zu nehmen, macht ernst mit der Androhung und stirbt an den Folgen einer Schussverletzung.

Der Vater fliegt – was Ende der 1920er Jahre schon möglich war – von Wien nach Venedig in der Hoffnung, die geliebte Tochter wird die Tat überleben, aber als er landet, ist Lili schon tot. Statt Lilis Leichnam noch einmal zu sehen, zieht sich der Vater zurück, vergräbt sich in seinem Unglück, beginnt dann aber, die Tagebücher der Tochter zu lesen. In der zuweilen verstörenden Lektüre wird ihm erst so richtig bewusst, wie wichtig Lili für ihn war.

Schnitzlers Beziehungen waren geprägt von Leidenschaft und Eifersucht

Parallel zu dieser Trauerarbeit erzählt Volker Hage sehr anschaulich ein Geflecht von sehr unterschiedlichen Beziehungen, die Schnitzler mehr oder weniger parallel geführt hat. Die Herzensdamen können den tieftraurigen Mann aber nur bedingt aufheitern, auch weil sie ihn mit Eifersucht und eigenen Problemen traktieren. Da ist Olga Schnitzler, die Ex-Frau, die mit Arthur wieder zusammenleben möchte.

Die mäßig erfolgreiche Schriftstellerin Clara Pollaczek wiederum erträgt es nicht, dass Schnitzlers Leidenschaft für sie erkaltet ist. Denn der geht lieber mit Hedy Kempny spazieren, mit der er eine erotisch-platonische „Komplizenschaft“ pflegt. Schließlich wird Suzanne Clauser, seine Übersetzerin ins Französische, die wichtigste Vertraute des Schriftstellers in jenem „fünften Akt des Lebens“.

Ein beeindruckendes Quellenmaterial liegt dem Werk zugrunde

Der Roman lebt neben der sprachlich zurückhaltenden, aber gerade deshalb überzeugenden Schilderung von Schnitzlers Einsamkeit unter all den Freundinnen von vielen Zitaten aus historischen Dokumenten, wie etwa den Briefen und Tagebüchern. Da zeigt sich der gute Rechercheur, der auch auf bislang gesperrte Quellen wie das Tagebuch der Lili Schnitzler zurückgreifen durfte. Volker Hage weiß aus dem Material ein stimmiges und einfühlsames Bild des Schriftstellers Arthur Schnitzler in seinen letzten Lebensjahren zu zeichnen.

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