Wohlfühlatmosphäre bei den Autorinnen und Autoren im Garten
Das Publikum bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt muss sich in diesem Jahr entscheiden: Entweder die Lesungen der Autorinnen und Autoren im Garten des ORF verfolgen. Oder im Fernsehstudio sitzen und der Jury lauschen.
Die wenigsten Gäste jedenfalls eilen von der einen zur anderen Bühne. Die Mehrheit entscheidet sich für den Gartenplatz, der mit allerlei Dekosträuchern, Blumenkästen und einem Stapel alter Bücher auf einem schönen Teppich eine Wohlfühlatmosphäre herstellen soll.
Die Aufteilung der Bühnen führt zu einer Abkapselung der Jury
Das klassische TV-Studio wirkt gerade durch diesen Kontrast noch etwas steriler, und durch diese räumliche Aufteilung entstehen tatsächlich zwei Bachmannwelten, womit eine immer medial vermittelt bleibt. Wer draußen sitzt, schaut sich die Jury auf den Bildschirmen an, was kurioserweise an die digitalen Sonderausgaben erinnert.
Weil die räumliche Konzentration von Lesenden und Jury aufgehoben ist, verliert der Bachmannwettbewerb aber auch ein Spannungsmoment. Unmittelbare Reaktionen der Kandidatinnen und Kandidaten auf die Jury-Diskussion entfallen endgültig.
Die Texte am ersten Tag: Gutes Mittelmaß
Leider führt die Aufteilung der Bühnen auch zu einer Abkapselung der Jury, die den Wettbewerb grundsätzlich zu verändern scheint: Glücklich darüber, dass der Literaturbetrieb sich endlich wieder am Wörthersee versammeln darf, scheinen die Diskussionen nach den Lesungen harmonischer zu verlaufen. Was möglicherweise auch an den Texten des ersten Wettbewerbstages lag, die zwar keinesfalls herausragend, aber eben auch keine Ausfälle waren, sondern nur gutes Mittelmaß, dessen Stärken und Schwächen auch sachlich benannt werden konnten.
Eva Sichelschmidt ließ eine Ich-Erzählerin die letzten Tage der moribunden Großmutter beobachten. In gekonnt reduzierter Sprache, aber doch auch durchsetzt mit bekannten Phrasen über das Ende des Lebens. Leon Engler zerbröselt auf ironische Weise eine Schauspieler-Identität mit vielen Bezügen zur Literaturgeschichte – so richtig neu wirkten die Motive dieser Reisegeschichte aber nicht.
Der in Rumänien geborene Autor Alexandru Bulusz bot einen anspruchsvollen Text
Begonnen hatte der Wettbewerb mit einer dystopischen Verschwörungserzählung von Hannes Stein, die einen schwarzen Geschichtsprofessor beschreibt, der an eine geheime Gegenmacht aus der Vergangenheit glaubt. So skurril die Anlage, so wenig überzeugend die Feinmechanik des Textes, wie auch die Jury befand.
Das gebotene Mittelmaß überragte nur der in Rumänien geborene Autor Alexandru Bulusz: „Einige Landesgrenzen weiter hinaus, von hier aus gesehen“ - so der Titel seines anspruchsvollen Beitrags – handelt von einem Protagonisten, der in seiner Halt- und Heimatlosigkeit um eine eigene Geschichtsschreibung und Identität ringt. Die sprachliche Gestaltung ist, wie die Jury anmerkte, dabei schon der Inhalt, wobei der Text trotz der großen Qualitäten auch Passagen enthält, die weniger gelungen sind.
Die neue Klagenfurter Harmonie ist leider ein wenig langweilig
Der erste Lesetag endete mit einer etwas biederen Geschichte eines Spitzensportlers, der von seiner Frau verlassen wird und der sich nun um das Kind kümmern muss. Die Vaterschaft wird zum Verzicht, der unter anderem zu schlechteren körperlichen Werten des Athleten führt.
Auffällig, wie diese gewiss alltagsnahe, aber eben auch konventionelle Prosa gegen die begeisterte Jurorin, die den Text eingereicht hatte, letzten Endes doch wohltemperiert wegdiskutiert wurde – als habe sich die letztes Jahr so zerstrittene Jury vorgenommen, dieses Jahr bloß keine schlechte Stimmung zu verbreiten.
Leider ist diese neue Klagenfurter Harmonie auch ein wenig langweilig.