Im brandneuen Merian-Reiseführer gibt es Einführungen und Porträts zu Opernfestspielen und Klassikfestivals rund um den Globus. Eva Hofem hat sich durch den geschmackvoll gestalteten Band gelesen.
Tja, wie sucht man wohl die besten und vor allem empfehlenswertesten Opernfestspiele und Klassikfestivals der Welt aus? Gar nicht so leicht. Denn was seit einigen Jahren immer wieder in aller Munde ist, zeigt sich an diesem neuen Merian-Buch ganz deutlich: Im Klassikbereich gehören Festspielen und Festivals die Zukunft. Das zeigt schon die aufklärende Einführung des Buchs, bevor es mit dem Feuerwerk an hochkarätigen aber auch weniger bekannten Festivals losgeht. Die erste Frage wird direkt geklärt: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Festspielen und Festivals?
Nachdem die Basis geklärt ist, geht es endlich los mit dem eigentlichen Wahnsinn: 50 Schauplätze auf der ganzen Welt, die sich jährlichen Klassik-Events verschrieben haben. Auf Platz 1 stehen - wie sollte es anders sein - Bayreuth und die Richard-Wagner-Festspiele. Historische Backstage-Bilder, aktuelle Inszenierungsfotos, Ölgemälde und eine gründliche Einführung in die Festspiel-Geschichte: Bayreuth ist ein gutes Beispiel dafür, dass es in diesem Buch nicht nur um schillernden Reisejournalismus geht.
Den weit größeren Teil des Reiseführers nehmen aber die nicht ganz so bekannten Festivals und Festspiele ein. Waren Sie schonmal in der irischen Industriestadt Wexford beim Opernfestival? Es ist offenbar eine Reise wert – denn neue Opern müssen nicht zwangsläufig auch was mit Neuer Musik zu tun haben.
Doch es werden ja nicht nur Opernfestspiele besprochen, dafür ist die internationale Kulturlandschaft viel zu bunt gemischt. Unterteilt wird hier in viele unterschiedliche Kapitel: in Monothematische Festspiele, Historisch konnotierte Festivals, Operettenfestivals, Alte-Musik-Festivals, Neue-Musik und Musiktheater-Festivals, Kammermusik-Festivals, Auf Orte bezogene Festivals, Auf Regionen bezogene Festivals, von Musikerpersönlichkeiten initiierte Festivals und Musikkreuzfahrten. Letztere werden mit leichtem Augenzwinkern von einem der insgesamt neun Autoren dieses Buches so beschrieben:
Eine extravagante Mischung ist dieser Reiseführer in jedem Fall, denn man kann von Vokal- zu Instrumentalmusik springen, von Finnland nach Venedig und von Alter zu Neuer Musik. Mit dem Finger auf der stilisierten Landkarte vorne im Buch oder mit ein bisschen Vorstellungskraft. Wie wäre es mit einem Trip nach Kalifornien zum Ojai Music Festival? Beim sogenannten „Donaueschingen der USA“ gibt es Zeitgenössisches im Sonnenuntergang. Die Open-Air-Bühne mit ihren jährlich wechselnden Künstlerischen Leitern wie Kent Nagano, Emanuel Ax oder Barbara Hannigan ist ein Aushängeschild des prominent besetzen Festivals.
Die Merian-Autoren sind übrigens durch die Bank weg Musikwissenschaftler, Dramaturgen oder ausübende Künstler mit starkem Bezug zum Journalismus – und das merkt man. Die Texte sind locker geschrieben und dennoch mit fundiertem Fachwissen. Ein immerwährender Kalender zeigt im Anhang alle besprochenen Spielstätten im Verlauf eines Jahres an. Mit seinem Hardcovereinband, den festen Buchseiten und brillanten Abbildungen hat man eher einen hochwertigen Bildband vor sich, weniger einen Reiseführer. In die Handtasche zum Abendkleid passt er aufgrund seiner Größe wohl eher nicht. Und das lernt man bei der Lektüre ebenso: Die Garderobe ist gar nicht so wichtig. Leidenschaft, Spaß und Neugier sind die wichtigsten Begleiter bei Besuchen der Klassikfestivals dieser Welt.