Jagoda Marinić beginnt ihr Buch mit Kritik. An wem? An ganz Deutschland eigentlich. Aus #metoo sei hierzulande viel zu wenig gemacht worden, so die Autorin.
In Indien, den USA oder Frankreich habe es nach der Weinstein-Affäre ein regelrechtes Erdbeben gegeben, bei uns lediglich zaghafte Versuche, dem Thema gerecht zu werden. Deutschland sei Zaungast in der wichtigsten feministischen Debatte der letzten Jahrzehnte.
Jagoda Marinić im SWR2-Gespräch:
Chance der Zeit nutzen
Was also tun? In ihrem Buch schlägt Marinić vor, in Deutschland aus #metoo eine „weiche“ Debatte zu machen. Sie möchte neu über das Geschlechterverhältnis nachdenken – und vor allem darüber sprechen.
Sie habe das Bedürfnis nach einem Dialog mit Männern. Dabei geht es ihr nicht ums Durchsetzen, sondern um Annäherung. An dieser Stelle kommen dann auch die „Held*innen“ - „Sheroes“ - ins Spiel.
Held*innen haben den Mut für Gespräche
„Sheroes sind alle jene, die den Mut finden, dieses Gespräch zwischen Mann und Frau zu beginnen“, schreibt Marinić:
Sheroes, das sind jene Held*innen, die einen Kampf hinter sich haben. Für sich oder für andere. Jene, die sich etwas zu nehmen wussten, von dem andere dachten, dass es ihnen nicht zustünde. Sheroes sind jene, die allen Gewalten zum Trotz die werden, die sie sind. Jagoda Marinić
Bloß kein Mädchenfeminismus!
Den Feminismus nach Alice Schwarzer erklärt Marinić für Schnee von gestern. Ebenso die Zeit des „Mädchenfeminismus“ á la Jana Hensel und Elisabeth Raether. Schluss mit dem „ewige Mädchen-Modus“, fordert Marinić.
Stattdessen komme es jetzt bei Frauen auf Ich-Stärke an, darauf, die Regeln selbst festzulegen. Wichtiger als die Forderung nach Quoten sei es, Räume zu schaffen, in denen Frauen die Kraft finden, ihren Weg zu gehen.
Reden statt kämpfen?
Der neue Feminismus erscheint bei Marinić ein wenig wie ein Selbstfindungs-Seminar. Im Anhang Ihres Buches finden sich insgesamt 50 Fragen, die Mann und Frau sich gegenseitig stellen sollen, um sich im Dialog näher zu kommen.
Ansonsten spricht sie die Bereiche struktureller Diskriminierung von Frauen zwar kurz an – in Parlamenten, in Talkshows, generell in politischen Zusammenhängen seien Frauen eindeutig unterrepräsentiert – aber schiebt die harten Fakten dann schnell wieder beiseite.
Männer mit ins Boot holen
Ihr gehe es nicht um Glamourfeminismus oder um den beruflichen Erfolg, sondern darum, dass Männer und Frauen einen neuen Weg finden, miteinander zu reden. Dafür sei die Zeit im Prinzip nie günstiger gewesen.
Feministinnen, die diese neuen Männer nicht mitdenken, werden sich selbst nicht neu erfinden können. Sie werden dadurch, dass sie in Männern das alte Patriachat bekämpfen, in alten Frauenrollen steckenbleiben. Wer sich verändern möchte, muss diese Veränderung auch den anderen gestatten. Jagoda Marinić
Dialog statt Kampf um Quoten
Im ersten Moment ist da dieser Reflex, das neue „Sheroes“-Buch von Jagoda Marinić als arg psychologisierend beiseite zu legen. Da kritisiert die Autorin die fehlende Vehemenz, mit der wir hier in Deutschland auf #metoo reagiert haben, um dann ausschließlich auf einen neuen Dialog zwischen Mann und Frau zu setzen.
Doch vielleicht ist eine „weiche Debatte“ ja doch der richtige Ansatz – schließlich haben die Kämpfe um Parität und Quoten noch immer nicht dazu geführt, dass Frauen angemessen in Parlamenten und Aufsichtsräten vertreten sind. Eher haben sich die Fronten verhärtet.
Die Gegenwart gestalten statt bekämpfen
Vielleicht sollten wir uns wirklich auf den Weg machen, wie Marinić es vorschlägt, nicht nur gegen die Welt zu kämpfen, wie sie ist, sondern dafür, diese neu zu gestalten – kraftvoll, entschieden und zusammen mit jenen Männern, die das auch wollen.
"Sheroes“ ist ein interessantes Buch, das zum Richtungswechsel in der Geschlechterdebatte anregt.