Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux war 54 Jahre alt, als sie mit einem Mittzwanziger zusammen war. Er war einer ihrer Studenten. Ernaux selbst sah in dieser Liebe vor allem eine Wiederholung ihres eigenen Lebens in jüngeren Jahren. Davon erzählt sie gewohnt schonungslos in ihrem neuen, nur dreißig Seiten umfassenden Buch „Der junge Mann“.
„Ich lese dieses Buch als Schlüssel zu Ernaux‘ Werk“, sagt die Literaturkritikerin Kristine Harthauer im SWR2-Gespräch. Denn „Der junge Mann“ kondensiert alle Themen, die für Ernaux wichtig sind: das Nachdenken über soziale Herkunft und gesellschaftlichen Aufstieg, übers Frausein und auch nochmal über die Abtreibung, die in ihrem Buch „Das Ereignis“ zentral stand.
Katharina Borchardt im Gespräch mit Kristine Harthauer.
Gespräch Literaturnobelpreis an Annie Ernaux: „In ihrem Werk findet sich keine antisemitische Stelle“
Sie ist die erste französische Autorin, die den Literaturnobelpreis erhält: Annie Ernaux. Vorab war sie für ihre Haltung zur BDS-Bewegung kritisiert worden. Eine Kritik, die die Literaturkritikerin Iris Radisch in dieser Härte nicht teilt: „Sie ist ganz sicher kritisch gegenüber der israelischen Regierung, aber sie würde niemals etwas Antisemitisches sagen.“
Platz 3 der SWR Bestenliste Dezember 2022 Annie Ernaux: Das andere Mädchen
Zehn Jahre alt war Annie Ernaux, als sie erfuhr, dass sie eine Schwester hatte. Dieses Mädchen ist im Alter von sechs Jahren an Diphterie gestorben. Das Buch ist ein Brief an die tote Schwester, geschrieben Jahrzehnte später.