Buchkritik

Anna Brüggemann – Trennungsroman

Stand
AUTOR/IN
Anja Höfer

Anna Brüggemann, geboren 1981, steht als Schauspielerin in vielen Film- und Fernsehproduktionen vor der Kamera - zuletzt unter anderem im Stuttgart-Tatort unter der Regie ihres Bruders Dietrich Brüggemann. Mit ihm zusammen schrieb sie  auch das Drehbuch für den vielfach ausgezeichneten Spielfilm „Kreuzweg“ über den Leidensweg eines ultrareligiös erzogenen Mädchens. Jetzt legt Anna Brüggemann ihren ersten Roman vor: „Trennungsroman“ heißt ihr Debüt.

Audio herunterladen (3,7 MB | MP3)

Es gibt dieses schöne, traurige Gedicht von Erich Kästner: „Sachliche Romanze“ heißt es: 

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
 
kam ihre Liebe plötzlich abhanden. 
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut. 

Genau das passiert auch Thomas und Eva: seit acht Jahren sind sie ein Paar im Berlin unserer - vorpandemischen - Gegenwart. Beide Anfang 30: Eva eine ehrgeizige Kunsthistorikerin und Kuratorin. Thomas eher unglücklich in seinem - dem Vaterwunsch gehorchenden - Beruf als Krankenhausarzt. 

Zwei Jahre hatten sie eine Fernbeziehung, weil Eva beruflich in Paris war. Jetzt ist sie zurück - und alles fühlt sich irgendwie komisch an - für beide. 

„Der Abend war bei Weitem nicht so schön wie erhofft. Aber war sie daran nicht selber Schuld? Hatte sie nicht einfach viel zu hohe Erwartungen? Hatte sie Thomas zum Baden geschleppt, obwohl er nur schnell nach Hause wollte? Und statt nach dem Baden auf ihn einzugehen, hatte sie nicht versucht, eine Erotik und Nähe zu erzwingen, die überhaupt nicht zur Situation passten?

Thomas fährt hinter Eva her und könnte heulen. Ein weiterer Abend ist unwiederbringlich verloren, ein Abend, der schön geworden wäre, wenn er nicht mit Lust alles torpediert hätte, was Eva geplant hatte.“
 

Der Knacks ist da. Und er geht nicht mehr weg. Eigentlich wäre nach Evas Rückkehr der nächste Schritt dran gewesen: Kinder zu bekommen. Aber auch da sind die beiden - vor allem Thomas - plötzlich unsicher. Und seit die Kinderfrage über dem Bett schwebt, ist auch der Sex nicht mehr unbeschwert.

Es ist eine alte Geschichte: Zwei Menschen geht die Liebe verloren. Aber so, wie Anna Brüggemann sie erzählt: so gegenwärtig, mit einem so genauen Gespür für die kleinen Beziehungs-Risse, so unparteiisch auch - aus beider Perspektive  nämlich - , dann liest man sie mit immer größerer Anteilnahme. Wie zwei hier verzweifelt um etwas ringen, das doch mal groß und schön und so leicht war - das geht schon einigermaßen zu Herzen.  

Gleichzeitig führt uns Anna Brüggemann sehr illusionslos und realitätsnah vor Augen, welche hohen Ansprüche Menschen im 21. Jahrhundert an Beziehungen herantragen. Und auch, wie quälend kompliziert es ist, aus einer Beziehung wieder heraus zu finden. Gibt es den richtigen Moment zu gehen? Kann man den selbst bestimmen? Wie viel kann man überhaupt bewusst entscheiden, wenn Liebe im Spiel ist? Mit großem Ernst - aber auch nicht ohne Humor - , und vor allem in einer schönen, klaren Sprache kreist der Roman um diese Fragen.

Kapitel um Kapitel naht das Ende dieser Beziehung

Wie bei einem Countdown werden die Tage bis zur Trennung gezählt: „Noch 31 Tage“, „noch 14 Tage“ lauten die Kapitelüberschriften - bis zum Tag X,  an dem Eva ein Stück Kondomverpackung im Bad findet:  

Eva starrt auf Thomas, alles um ihn herum wird unscharf, sie sieht nur noch ihn. (…) Zwischen ihnen liegt eine Autobahn, die immer länger wird. Evas Handgelenke fühlen sich an, als würden sie zerkrümeln. Auch ihre Knie zerfallen in kleine Brocken. (…) Alles, woran sie geglaubt hat, ist nicht mehr da.“ 

Thomas’ Seitensprung mit seiner Kollegin Rose ist es schließlich, der das endgültige Aus mit Eva einleitet. Von da an lauten die Kapitelüberschriften: „1 Woche danach“ oder „13 Wochen danach“. Und man erfährt, wie es Thomas und Eva nach der schweren Trennung ergeht - mit Wohnungswechsel, neuen Partnern und allem, was dazu gehört.

Ein Happy End hat dieser starke „Trennungsroman“ von Anna Brüggemann nicht - wie auch? Versöhnlich ist das Ende irgendwie doch. Ein kleiner Kloß im Hals nach der Lektüre ist allerdings garantiert. 

Stand
AUTOR/IN
Anja Höfer