Als der 18 Jahre alte Leutnant Kaiser seinen Opfern nacheinander die Pistole zum Genickschuss ansetzt, kann man auf den Hügeln über Nierstein schon die amerikanischen Panzer sehen. Ein paar Stunden noch, dann wird der Krieg auch hier zu Ende sein.
Zu spät für seine Opfer: Zwei Sozialdemokraten, zwei KPD-Mitglieder, eine Jüdin und ein Volkssturmmann, der ohne Rucksack losgegangen ist. Zehn Jahre wird Hans Kaiser nach dem Krieg dafür ins Zuchthaus gehen – und dann ein scheinbar ganz normales Leben führen, eine Familie gründen und eisern schweigen.
Über die Morde erfahren Frau und Kinder erst 1985 aus dem „Stern“. Was macht dieses Verschweigen mit den Nachgeborenen? In Ute Bales‘ Roman „Am Kornsand“ ist es die (frei erfundene) Tochter Helga, der alles aus der Haut zu dringen scheint, was dem Vater nicht über die Lippen ging. Ein unerträglicher Juckreiz plagt sie durch ihre ganze Kindheit. Und in dem Landverschickungsheim, in das man sie zur Kur schickt, warten neue Qualen auf sie…
Literatur „Am Kornsand“ - der neue Roman von Ute Bales über ein Verbrechen 1945 bei Nierstein
Im März 1945, nur ein paar Stunden bevor die Amerikaner kommen, lässt sich der 18-jährige Hans am Rheinufer bei Nierstein von den Nationalsozialisten zu einem Verbrechen überreden. Seine Familie weiß nichts davon, bis 40 Jahre später das Magazin „Stern“ darüber berichtet. Diese wahre Geschichte hat Ute Bales aus der Eifel in ihrem neuen Roman „Am Kornsand“ verarbeitet. Die Schriftstellerin fasziniert an dieser Begebenheit, wie das Schweigen darüber als Kriegstrauma bis ins Heute wirkt. Sie erzählt die Geschichte aus der Perspektive der Tochter weiter.
Buchkritik Alex J. Kay – Das Reich der Vernichtung. Eine Gesamtgeschichte des nationalsozialistischen Massenmordens
War der nationalsozialistische Völkermord an den europäischen Juden historisch einzigartig? Darf man Antisemitismus mit Rassismus, den Holocaust mit anderen Genoziden vergleichen? Der junge englische Historiker Alex Kay hält in seiner brillanten Studie weiterhin an einer Einzigartigkeit der Shoa fest.
Rezension von Konstantin Sakkas.
Aus dem Englischen von Thomas Bertram
wbg Theiss Verlag, 456 Seiten, 38 Euro
ISBN 978-3-8062-4504-2
Literatur Antisemitismus im Alltag - Der Roman „Ich bin Jude“ von Reiner Engelmann
Diese Geschichte habe er nicht erfunden, sagt Autor Reiner Engelmann, sie habe ihn gefunden. Entstanden ist sie aus vielen Gesprächen, die er mit Jüdinnen und Juden geführt hat. In seinem spannenden Roman „Ich bin Jude“ erzählt er von Simon, der an seiner Schule gemobbt wird, weil er Jude ist. Reiner Engelmann ist davon überzeugt, dass heutiger Antisemitismus vom Schweigen über die Zeit des Nationalsozialismus genährt wird. Daher ist es ihm so wichtig davon zu erzählen, nach dem Motto: Erinnern für die Zukunft. In seinem Roman gelingt es ihm, ein ernstes Thema mit einer gewissen Leichtigkeit zu behandeln und unsere Gesellschaftsstrukturen kritisch zu hinterfragen.
Buchkritik Benjamin von Stuckrad-Barre – Noch Wach?
Mit maximaler Medienaufmerksamkeit begleitet und mit Höchstspannung erwartet: Ist „Noch wach?“ tatsächlich ein Schlüsselroman über den „Boysclub“ des Springerkonzerns und über die Machtmissbrauchsvorwürfe gegen den Ex-Chefredakteur Julian Reichelt? Ein engagierter, sehr lesenswerter Roman in jedem Fall!
Buchkritik Eugen Ruge – Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna
Es ist ein Tanz auf dem Vulkan. Und irgendwie kommt uns das alles bekannt vor: Die Klimaleugner, die Geschäftemacher, die Vergnügungssüchtigen im Angesicht der Katastrophe. Eugen Ruges neuer Roman "Pompeji" geht zurück in die Antike und zeichnet zugleich das überraschend gegenwärtige Bild einer zu Grunde gehenden Gesellschaft. Eine herausragende Satire!
Rezension von Jörg Magenau.
dtv Verlag, 420 Seiten, 25 Euro
ISBN 978-3-423-44177-3