Die US-amerikanische Schriftstellerin Dorothy Baker war der literarische Stern der 1930er – und Jazz-Fanatikerin. Ihr Roman „Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft“ erzählt die Lebensgeschichte eines Trompeters.
„Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft“ erzählt die Geschichte einer ganz großen Liebe. Eine, die Mauern niederreißt und tut, was immer ihr in den Sinn kommt.
Los Angeles, irgendwann zwischen 1917 und 1920. Der Krieg, der Europa erschüttert hat, ist hier nur als Widerhall angekommen, dafür wirft die Zeit der Prohibition schon ihre Schatten voraus. Den 14jährigen Rick Martin kümmert all das wenig. Er wächst als bettelarmes Waisenkind bei Verwandten auf, die sich herzlich wenig für ihn interessieren. Durch Zufall landet er eines Tages vor den Tasten eines Klaviers.
Die Musik lässt Rick Martin nicht mehr los. Bald lernt er bei seinem ersten Neben-Job als Handlanger in einer Bowlingbahn Smoke Jordan kennen, einen jungen, arbeitslosen Schlagzeuger. Er wird nicht nur sein bester Freund, obwohl Rick weiß und Smoke schwarz ist, er nimmt ihn auch mit in den besten Musik-Club in Vernon, Kalifornien, und stellt ihn den Musikern dort vor.
Von da an lebt und atmet Rick Jazz. Er verliebt sich in den Klang der Trompete, übt und jammt mit seinen neuen Freunden, und entwickelt sich im Laufe der nächsten zehn Jahre zu einem der besten Trompeter der Welt. Aber schon damals muss Rick mit zwei Arten von Musik hantieren: die, die er liebt – und die, die sich verkauft.
Dorothy Bakers erster Roman ist 1938 zum ersten Mal erschienen, spielt aber vor allem in den 20er Jahren, der Zeit, als Trompeter Bix Beiderbecke Amerika in Bann schlug. Dorothy Baker selbst schreibt, „Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft“ sei von Beiderbeckes Musik, nicht aber von seiner Biographie inspiriert, aber so ganz wird das nicht stimmen. Immerhin ist er, genau wie Rick Martin im Roman, einer der berühmtesten weißen Jazz-Musiker seiner Zeit – und genau wie Rick Martin stirbt er mit unter 30.
Das zu verraten ist übrigens keineswegs unfair, denn Dorothy Baker verrät auf der dritten Seite, wohin die Reise gehen wird:
Obwohl Dorothy Baker von vorneherein das Ende ihres Romans preisgibt, ist es fast unmöglich, ihn aus der Hand zu legen. Gründe dafür gibt es mehrere. Da ist zum einen ihre Art, Ricks Obsession spürbar zu machen und so plastisch über Musik zu schreiben, dass man fast anfängt mit dem Fuß zu wippen.
Solche Passagen kann man nicht schreiben, wenn man sich nicht erstens ziemlich gut mit Musik auskennt, und ihr zweitens nicht mit Haut und Haar verfallen ist. Tatsächlich bietet Dorothy Baker sozusagen im Vorbeigehen einen erstaunlich tiefen Einblick in die Jazzszene und auch die Musikbranche der 20er Jahren mit ihren Mechanismen, Regeln und Zwängen.
Ein kleines Wunder ist übrigens die Übersetzung von Kathrin Razum. Der Heidelberger Übersetzerin gelingt der Spagat, die Sprache der 30er Jahre fest in ihrer Zeit zu verankern und sie gleichzeitig zeitlos klingen zu lassen. Außerdem lässt sie Dorothy Baker ihren ganz eigenen, direkten Sound, ihren subtilen Witz und ihre präzise beobachteten Bilder.
Irritierend ist bei allem Lob an der Übersetzung allerdings die Entscheidung, das N-Wort stehen zu lassen, mit dem die schwarzen Figuren laufend bezeichnet werden.
Diese Entscheidung ist dem Verlag vermutlich nicht leicht gefallen, und tatsächlich ist es beim Lesen – zumindest für mich - jedes Mal ein kleiner Schock. Andererseits ist dieser Roman eben auch ein Spiegel seiner Zeit – einer, in der rassistische Untertöne an der Tagesordnung war.
Ihre Zeitgenossen hat Dorothy Baker übrigens genau mit dem Gegenteil schockiert: weil ihre Romane so progressiv waren. Das gilt nicht nur für eine angedeutete lesbische Beziehung, sondern gerade auch für die Freundschaft zwischen Rick und Smoke, die sich trotz der Wortwahl absolut auf Augenhöhe abspielt.
Wie wunderbar, dass dtv Dorothy Bakers leidenschaftlichen, charismatischen und toll erzählten Roman wiederentdeckt hat. Für Jazz-Fans ist er sowieso ein Muss. Aber auch, wer mit dem Sound der 20er – oder sogar mit Musik im Allgemeinen – wenig anfangen kann, wird vermutlich ein bisschen von sich selbst in Rick wiederfinden können. Schließlich ist der Wettstreit zwischen Leidenschaft und Pflicht universell. Im Original heißt Dorothy Bakers Roman übrigens nicht „Ich mag mich irren, aber ich finde dich fabelhaft“, sondern: „Young Man with a Horn“, und zunächst habe ich mich über den deutschen Titel gewundert. Aber nach der letzten Seite ist die Sache klar: Es ist eine Liebeserklärung – und der schließe ich mich an.