Um „Eingebildete Musik“ bei Richard Wagner und im jüdischen Wien geht es im neu erschienen Buch des Musikwissenschaftlers Matthias Schmidt. Dieser kryptische Titel und die verkohlte Taschenuhr auf dem Einband haben Eva Hofem neugierig gemacht, das Buch für SWR2 Treffpunkt Klassik zu lesen.
Eine der größten Tragödien der Theatergeschichte, fernab von der Bühne: 1881, das neu erbaute Wiener Ringtheater steht in Flammen, kurz vor einer Vorstellung von Jaques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“. Über 400 Menschen kommen dabei ums Leben.
Mit diesem Einstieg wird schnell deutlich, worauf der Autor hinauswill. Denn der Judenhass gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird auch aus Teilen der intellektuellen und künstlerischen Kreise Europas befeuert. Ein bis heute polarisierender Künstler gilt insbesondere als früher Anstifter dieser Bewegung.
Richard Wagners antisemitische Haltung äußert sich am deutlichsten in seiner Schrift „Das Judenthum in der Musik“. Er veröffentlicht sie 1850 und ein zweites Mal 1869. Mit der zweiten Auflage trifft Wagner den Nerv der Zeit. Seine Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ erscheint ein Jahr zuvor und kann nicht nur aus diesem Grund exemplarisch mit seiner antisemitischen Schrift in Verbindung gebracht werden.
Diese in der Forschung längst bekannten Zusammenhänge greift Mathias Schmidt in seinem Buch auf, um zu verdeutlichen, welche elementare Rolle die musikalische „EINBILDUNG“ einnimmt. Nämlich die individuellen Bilder, die jeder Mensch beim Hören von Musik automatisch bildet und um die man sich bis ins 19. Jahrhundert hinein praktisch nicht gekümmert hat.
Matthias Schmidt thematisiert Opern von Komponisten mit jüdischem Hintergrund und unterzieht sie einer analytischen Betrachtung. Dem Komponisten Karl Goldmark kommt dabei eine besondere Rolle zu: Sein starker Anpassungswille an die nicht-jüdische Gesellschaft und an Wagner machen ihn zu einer schillernden und interessanten Persönlichkeit dieses Buches. So wie seine Oper „Die Königin von Saba“, die zu Wagners Lebzeiten Erfolge feierte.
Wie man vielleicht schon an den Zitaten merkt: Leichte und einfache Lese-Kost ist das Buch „Eingebildete Musik“ von Matthias Schmidt nicht. Schmidts ausschweifende, teils auch blumige Sprache setzt äußerst genaues Lesen voraus und entsprechend erschließen sich auch manche Überschriften erst wenn man das Kapitel bereits gelesen hat. Immer wieder erinnert das Buch eher an dramaturgische Programmhefttexte, als an eine wissenschaftliche Abhandlung.
Das ist in jedem Fall ein Pluspunkt, denn man kann es durchaus auch lesen, ohne sich mit diesem Thema zu nur zu Forschungszwecken zu beschäftigen. Ein weiterer Pluspunkt ist der Mut zur neutralen Aufklärung und Aufbereitung dieses heiklen Themas, das in weltpolitischer Hinsicht aktueller denn je ist.