Buch-Tipp

Bruno Preisendörfer: „Als die Musik in Deutschland spielte“

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AUTOR/IN
Susanne Pütz

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„Als die Musik in Deutschland spielte“ lautet der Titel des neuen Buches von Bruno Preisendörfer. Der Autor nimmt den Leser mit auf eine Zeitreise in die Barockzeit. Ein Deutschland, in dem die einfachen Leute fiedelten, flöteten und trommelten und Komponisten Musik schrieben, die bis heute beeindruckt. Susanne Pütz hat das Buch gelesen.

Wie klingt die Zeit des Barock?

Wie Händels Wassermusik…. - so klingt die Zeit des Barock. Typisch Händel eben. Ebenso die Musik seines hochgeschätzten Kollegen Johann Sebastian Bach. Barockmusik, dafür steht auch Georg Philip Telemann, der wie kein anderer in dieser Zeit quasi im Akkord Musik schreibt. Und das sind nur die drei wohl bekanntesten deutschen Komponisten des Barock. Viele Namhafte gehören ebenso dazu, Musiker wie Johann Christoph Graupner, Johann Joachim Quantz oder Carl Heinrich Graun.

Ausführliche Epochenschilderung

Doch wie war die Welt zu dieser Zeit um sie alle herum? Wer das wissen will, kommt einer Antwort mit dieser Lektüre ganz sicher ein ganzes Stück näher. Eine ziemlich umfangreiche Aufgabe, der sich Bruno Preisendörfer da gestellt hat. Und ja - dieses Buch ist streckenweise durchaus anspruchsvoll. Auf fast 500 Seiten zeichnet der Autor ein breites Bild der Epoche des Barock, die eben nicht nur durch Prunk und Gloria, gepuderte Perücken, opulente Feste, und virtuose Hofkapellen hervorsticht. Preisendörfer schaut auch auf die politisch diffusen Verhältnisse.

Der Dreißigjährige Krieg ist zwar vorbei, aber die Auswirkungen sind deutlich spürbar. Schlachten, Plünderungen und Belagerungen haben weite Landstriche im wahrsten Sinne des Wortes ausgebrannt, Würtemberg bspw. hat in diesem Krieg zwei Drittel seiner Einwohner verloren und auch in Sachsen, Thüringen und Mecklenburg gibt es kaum Orte, die dieser Krieg nicht heimgesucht hatte. Auch in den Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg gibt es jede Menge Kriegs- und Feldzüge:

„Soldaten im Dutzend zu besolden kostete Geld, in Köthen 1723 knapp 2700 Taler, für Bach und seine Musiker wurden etwas über 1900 Taler ausgegeben“

…schreibt Bruno Preisendörfer und merkt an, dass es zu dieser Zeit gang und gäbe ist, dass barocke Headhunter des Militärs durch die Lande ziehen und, wie er schreibt, mit „List und Tücke“ sowie „Bier und Kleingeld“, willige neue Soldaten rekrutieren.

Stetes Bindeglied in diesem Buch sind die Biografien von Bach, Händel und Telemann

Markante Eckpunkte oder Anekdoten aus deren Leben sind der rote Faden. Doch wenn’s um den Barock geht, dann fehlt natürlich nicht der Blick auf das illustre Leben an den Fürstenhäusern. Doch auch die Bürger werden immer selbstbewusster in dieser Zeit; erkennbar an verschiedenen musikalischen Entwicklungen. So werden beispielsweise Hausmusiken immer mehr en vogue bei den Bürgern in den Städten.

Dafür braucht es Noten, somit auch Komponisten und – Verleger. Am besten Verleger und Komponist in einem so wie Georg Philipp Telemann. Auch gibt’s die Oper nicht mehr nur für den König und sein Gefolge, wie an der Königlichen Oper in Berlin, sondern auch eine für die Bürger, wie in Hamburg am Gänsemarkt, deren Chef ist ebenfalls Telemann. Zur gleichen Zeit in Leipzig hat Johann Sebastian Bach als Thomaskantor und Städtischer Musikdirektor das Heft in der Hand.

Turbulente Gottesdienste

Beim Thema Kirchenmusik wird’s spannend. Und zwar abseits aller Musik. Eindrucksvoll präsentiert Preisendörfer wie Gottesdienste damals abliefen, die durchaus über 4 Stunden dauerten vor allem aber auch wie turbulent es teilweise in den Kirchen zugegangen sein muss. Kirchen - das waren wahre Bühnen wenn es um‘s Sehen und Gesehenwerden ging, ein wahrhaftes Ringen um die besten Plätze.

„Die Kirchenstuhlkonflikte arteten manchmal in regelrechte Tumulte aus, vor allem, wenn die Bedienten einer Herrschaft, mit den Bedienten einer konkurrierenden Herrschaft zusammenstießen. Dann wollte sich niemand was vergeben, die Mägde ließen die Mägde nicht vorbei, die Diener machten breite schultern und stießen einander an.“

 Der Genuss einer Bachkantate war so wahrscheinlich nur selten möglich.

Buntes, barockes Alltagsleben

Mit vielen dieser Details steigt Preisendörfer immer weiter ins Alltagleben des Barock ein. Mit ihm betritt man Waisenhäuser ebenso, wie die gerade aufkommenden Kaffeehäuser. Kindererziehung, Manieren bei Tisch und sogar Hebammen haben ein eigenes Kapitel. Und auch die Mode kommt nicht zu kurz. Perücke, Reifröcke ja klar, die tauchen beim Thema Barock vorm inneren Auge auf. Weniger geläufig vielleicht die Fontanges, ein Konstruktion für hohe Frisuren oder sogenannte Mouches. Das waren kleine gummierte Zierpflaster, die der modebewusste Herr in einer kleinen Dose bei sich hatte. Darin Herzchen oder Sternchen zum Aufkleben auf Wange oder Kinn. Auch das gab's zu Zeiten von Bach, Händel und Telemann.

Absolut lesenswert

„Als die Musik in Deutschland spielte“ -  ein Buch, bei dem es  nicht nur um die virtuosen Meister des Barock,  mächtig tönende Orgeln oder konkurrierende Hofkapellen geht. Auf den Strassen, in den Kaffeehäusern, bei Hofe wie auf dem Land oder in den Kirchen pulsierte das pralle Leben in all seinen Facetten. Und die präsentiert Bruno Preisendörfer umfangreich und durchaus anspruchsvoll. Absolut lesenswert!

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Susanne Pütz