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26.11.1931: Erich Kästner stellt „Pünktchen und Anton“ vor

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AUTOR/IN
Christiane Kopka

Das reiche Mädchen Pünktchen und der arme Junge Anton werden Freunde. Kästner ist einer der ersten, der in einem Kinderbuch soziale Ungerechtigkeit aufgreift.

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Eine Zeitungsmeldung brachte Kästner auf die Idee für sein Kinderbuch

„Die Geschichte, die ich euch diesmal erzählen werde, ist höchst merkwürdig. Erstens ist sie merkwürdig, weil sie merkwürdig ist. Und zweitens ist sie wirklich passiert.“

Nachdem er ein Jahr zuvor mit „Emil und die Detektive“ einen ungeheuren Erfolg gehabt hat, ist Erich Kästner 1931 auf der Suche nach dem Stoff für ein weiteres Kinderbuch. Da stößt er auf eine Zeitungsmeldung über ein Kind aus gutem Hause, das mit seiner Kinderfrau, die Geld für einen kriminellen Verlobten brauchte, zum Betteln gegangen ist.

Kästner sagt später: „Ich holte mir sofort eine Schere, schnitt die Notiz aus und legte sie in das Kästchen für Merkwürdigkeiten. Später holte ich den Zeitungsausschnitt wieder hervor und schrieb danach die Geschichte von 'Pünktchen und Anton'.“

Klassiker der Schullektüre: Erich Kästner

In „Pünktchen und Anton“ werden soziale Probleme aufgegriffen

Pünktchen, die Tochter eines Generaldirektors, lernt beim Betteln den armen Jungen Anton kennen. In Kästners Buch, das am 26. November 1931 erscheint, spielt wie schon beim „Emil“ das pulsierende Berlin der 1930er Jahre eine wichtige Rolle. Kästner ist einer der ersten, der Kindergeschichten in der modernen Großstadt ansiedelt und soziale Probleme aufgreift.

Pünktchen lebt in einer Villa mit Dienstboten, Anton dagegen haust mit seiner kranken Mutter in einer schäbigen kleinen Wohnung. Er muss nachts allerlei Kram verkaufen, weil das Geld nicht zum Leben reicht.

Zu dieser Zeit sind durch die Weltwirtschaftskrise Millionen Menschen ohne Arbeit. Während die einen hungern und nicht wissen, wie sie die Miete bezahlen sollen, leben die anderen in Saus und Braus.

Pünktchen und Anton in der Verfilmung von Kästners Geschichte (Foto: IMAGO, imago images)
Die Verfilmung von Caroline Link aus dem Jahr 1999 wurde zu einem großer Erfolg und holt den Kästner-Stoff in die Zeit um die Jahrtausendwende. Die Hauptrollen spielen Elea Geissler und Max Felder.

Ein Happy End, das zu schön ist, um wahr zu sein

Kästner thematisiert nicht nur die soziale Ungerechtigkeit, sondern greift auch schon das Thema der Wohlstandverwahrlosung auf: Für Pünktchen haben die reichen Eltern nie Zeit, weil sie immer mit anderen Dingen beschäftigt sind. Er erzählt in einer einfachen, schnörkellosen Sprache und nimmt die Kinder ernst. Das kommt bis heute an.

Spannend wird das Buch durch die Kriminalgeschichte mit dem zwielichtigen Verlobten des Kindermädchens. Der mutige Anton verhindert, dass Robert in die Villa der Familie Pogge einbricht, und zur Belohnung darf er mit seiner Mutter zu den Pogges ziehen. Dass dieses Ende zu schön ist, um wahr zu sein, weiß Erich Kästner selbst. Als erklärter Moralist möchte er den Kindern allerdings die Hoffnung auf eine bessere Welt mitgeben.

Erich Kästner raucht eine Zigarette (Foto: IMAGO, imago images / United Archives)
„Nun könnt ihr womöglich daraus schließen, dass es auch im Leben immer so gerecht zuginge und ausginge wie hier. Das allerdings wäre ein verhängnisvoller Irrtum. Es sollte so sein und alle verständigen Menschen geben sich Mühe, dass es so wird. Aber es ist nicht so. Es ist noch nicht so.“
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Christiane Kopka