Kommentar

Zum Ende der Maskenpflicht: „Wie die Maske mich gerettet hat“

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Rainer Volk

Am 1. Februar endet in Baden-Württemberg die Maskenpflicht im Nahverkehr. Damit ist das Ende der Corona-Pandemie nach knapp drei Jahren quasi amtlich. Jetzt von einer Rückkehr der Freiheit zu reden sei pathetisch, kommentiert SWR2-Redakteur Rainer Volk. Für ihn sei die Maske vor allem das: ein Glücksbringer, und rät, das Glück bei der nächsten Pandemie nicht überzustrapazieren.

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Freiheit heißt auch Rücksicht nehmen

Bedeuten ein paar Quadratzentimeter Viskose-Stoff vor dem Mund – oder nicht – mehr oder weniger Freiheit? Mir ist das zu pathetisch. Denn ja, es war lästig, eine FFP2-Maske aufzuziehen beim Einkauf oder bei der Fahrt zur Arbeit und zurück, im Büro.

Auch das Gebot, sich die Hände zu desinfizieren – unbequem. Aber wer von „Freiheit“ redet, sollte auch deren andere Seite nennen: Achtsamkeit und Rücksicht.

Wir wussten nicht, was uns erwartet

Wir haben seit der „Welt von damals“, um Stefan Zweig zu bemühen, viel mitgemacht. Im Frühjahr 2020 empfahl ein Kollege der Redaktion: „Wir sollten nicht zu viel über dieses Virus in China berichten – das wird nicht so schlimm.“

Ein paar Wochen später prognostizierte eine Vorgesetzte: „Wir werden einige sehr harte Wochen vor uns haben.“ Auch knapp daneben. Aber wie sagte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn prophetisch mitten im Lockdown: „Wir werden einander sehr viel verzeihen müssen.“

Bangen um Leben und Gesundheit

Richtig. Verzeihen und Vergessen – gut. Aber Erinnern hilft auch. Fast jede Familie hat in den vergangenen drei Jahren mindestens einen Infektionsfall erlebt, bangte um Gesundheit und Leben. An Banal-Menschliches darf man zurückdenken: den Run auf die ersten Masken, auch solche aus Stoff. An die Schlangen vor den Impfzentren – die Vorformen der Hysterie, wenn jemand nur hustete.

Mir geht die junge Assistenzärztin nicht aus dem Kopf, unten in der Teststelle einer Klinik, tapfer aber auch verunsichert, wie das wohl wird in der Medizin, ihrem Traumberuf. Und oben, im Krankenzimmer ein Sterbender, der mich hinter der Maske kaum mehr erkannte.

Die Maske ist jetzt Teil unserer materiellen Geschichte

Der britische Historiker Neil MacGregor hat vor einigen Jahren die Ausstellung „Deutschland – das Gedächtnis einer Nation“ kuratiert. „Material history“ vom Feinsten. Die Gegenstände, die uns in der Corona-Pandemie wichtig wurden, auch Schutzmasken in allen Farben und Formen, wären unabdingbar, sollte diese Schau irgendwann mal aktualisiert werden.

Wir in Baden-Württemberg dürfen also nun ohne Viskose-Schutz durchatmen; wer mit der S-Bahn zum Beispiel von Karlsruhe nach Germersheim in Rheinland-Pfalz fährt, wird ihn noch ein paar Tage vor den Mund nehmen müssen. Auch wer in Stuttgart oder Ulm in den ICE einsteigt. Das ist kurios – schlimmstenfalls. Denn was sind schon drei Tage – nach drei Jahren?

Ein Glück, dass es die Maske gab

Für mich symbolisiert die Coronamaske etwas anderes. Soweit mir bekannt hatte ich kein Covid. Vielleicht hatte ich wegen dieses bisschen Stoff Glück – war die Maske mein Retter. In Sachen „Glück“ halte ich es indes mit der legendären Tante Jolesch aus Mähren, die - wie Friedrich Torberg überliefert hat, unter Vermeidung jeglichen Umlauts - gesagt haben soll: „Gott behüte uns vor allem, was noch a Glück is‘.“

Deshalb verstaue ich meine Masken-Restbestände so, dass ich sie wiederfinde. Um mein Glück in der nächsten Pandemie nicht überzustrapazieren.

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