Der Heilige Sand in Worms, Europas ältester jüdischer Friedhof (Foto: IMAGO, Sämmer)

Jüdisches Erbe in Speyer, Mainz und Worms

Weltkulturerbe SchUM-Städte: Eine Würdigung jüdischen Lebens am Rhein

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Dominic Konrad
Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik (Foto: SWR, Foto: Dominic Konrad)

Im Mittelalter bildete der Städtebund zwischen den jüdischen Gemeinden von Speyer, Worms und Mainz das bedeutendste Zentrum jüdischer Lehre in Europa. 2021 nahm die UNESCO die sogenannten SchUM-Städte in die Liste des Weltkulturerbes auf. Am 1. Februar übergeben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay in Mainz feierlich die Urkunde.

Feierliche Übergabe der Welterbe-Urkunde durch Bundespräsident Steinmeier

Es ist ein Tag ganz im Gedenken an die jüdische Tradition in Mitteleuropa. Mit einem Besuch auf dem „Heiligen Sand“ in Worms, dem ältesten jüdischen Friedhof Europas, würdigen der Bundespräsident und die UNESCO-Generaldirektorin am Vormittag die bedeutenden jüdischen Kulturzentren am Rhein. Höhepunkt der Feierlichkeiten ist die Übergabe der Welterbe-Urkunde an die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreier.

Was hat sich seit der UNESCO-Auszeichnung für den Erhalt der SchUM-Städten getan?

Mit den SchUM-Städten wurde 2021 im chinesischen Fuzhou die 50. deutsche Welterbestätte in die Liste der UNESCO aufgenommen. Es ist zugleich die erste Welterbestätte, die die Bedeutung des jüdischen Erbes auf deutschem Boden herausstellt.

„Der Titel gibt uns die Möglichkeit, dieses Erbe weltweit bekannter zu machen“, sagt Felix Tauber, Geschäftsführer des Vereins SchUM-Städte. „Nur was man kennt, ist man auch bereit zu schützen“, so Tauber im Interview mit SWR2.

Martina Conrad warf 2020 im Vorfeld der Anerkennung durch die UNESCO einen Blick auf das jüdische Erbe am Rhein:

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Die Orte, an denen das europäische Judentum entstand

Unter den Kaisern der Salier und Staufer entwickelten sich die drei freien Städte Mainz, Worms und Speyer zu zentralen Machtzentren. Jüdische Kaufleute siedelten sich in den Zentren am Rhein an, da der Fluss ihnen einen guten Zugang zum Überseehandel bot.

Der Wohlstand der Kaufleute und die relative Freiheit, die den Gemeinden durch die Kaiser gewährt wurde, ließen das jüdische Leben florieren. In den drei Städten entstanden die wichtigsten Talmudschulen (Jeschiwot) des Abendlandes. Sie zogen Schüler und Gelehrte aus ganz Europa an. Die SchUM-Städte galten für das Judentum lange Zeit als ähnlich bedeutsam wie Jerusalem.

Rashi-Statue von Wolf Spitzer vor dem Eingang der Synagoge Worms (Foto: IMAGO, epd)
Eine Statue von Wolf Spitzer erinnert vor dem Eingang der Wormser Synagoge an ihren prominentesten Gelehrten: Raschis Auslegungen der heiligen Schriften haben bis heute ihren festen Platz in der jüdischen Lehre.

Dank ihrer überregionalen Bedeutung wurden die SchUM-Städte zur Wiege des aschkenasischen Judentums, dessen Einflussgebiet sich bis nach York, Venedig und Budapest erstreckte. Bis heute prägen vor tausend Jahren von SchUM-Gelehrten verfasste Verordnungen, Gebete und Klagelieder das europäische Judentum.

Besondere Bedeutung wird noch immer dem Andenken an Rabbi Schlomo ben Jizchak, kurz Raschi, zuteil. Um 1040 in Troyes geboren, zog er nach Mainz und Worms, um an deren berühmten Talmudschulen zu lernen. Besonders mit der Jeschiwa von Worms blieb Raschi zeitlebens verbunden. Raschis Kommentare über die heiligen Schriften werden auch heute noch studiert und gelten gerade unter orthodoxen Jüd*innen als zentrale Auslegungen.

Was Sie heute noch sehen können vom mittelalterlichen Welterbe der SchUM-Städte

In Speyer ist im sogenannten „Judenhof“ das jüdische Ritualbad, die Mikwe, erhalten. Die um 1120 im romanischen Stil erbaute Mikwe gilt als die älteste ihrer Art in Europa. In der direktem Umgebung sind noch Überreste der 1104 errichteten Synagoge und der Frauenschule (13. Jahrhundert) zu sehen. Erst in den 1990er-Jahren wurden die Fundamente der Speyrer Jeschiwa ausgegraben.

Synagoge in Worms (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Uwe Anspach)
Die Synagoge in Worms geht auf ein 1034 gestiftetes Gebetshaus zurück. Sie wurde mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Bild in Detailansicht öffnen
Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof in Worms (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / DUMONT Bildarchiv | Gerald Haenel)
Der jüdische Friedhof „Heiliger Sand“ in Worms ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof in Europa. Die ältesten der etwa 2.500 Grabsteine stammen aus dem 11. Jahrhundert. Bild in Detailansicht öffnen
Grabsteine auf dem alten jüdischen Friedhof Am Judensand in Mainz (Foto: IMAGO, epd-bild/Heike Lyding)
Auch der Mainzer Friedhof „Am Judensand“ gehört zu den ältesten jüdischen Friedhöfen in Europa. Die älteste erhaltene Erwähnung stammt aus dem Jahre 1286. Bild in Detailansicht öffnen
Judenhof in Speyer (Foto: IMAGO, imago images/epd)
Der Judenhof Speyer besteht aus der mittelalterlichen Synagoge mit Frauenschule und rituellem Bad. Bild in Detailansicht öffnen
Außeneingang zur Mikwe, dem rituellen Bad im Judenhof in Speyer. (Foto: SWR)
Der Außeneingang zum rituellen Bad. Bild in Detailansicht öffnen
Die Mikwe, ein rituelles Tauchbad, im Judenhof in Speyer. (Foto: SWR)
Das rituelle Tauchbad (hebräisch „Mikwe“) im Speyerer Judenhof wurde vor 1128 gebaut und ist das älteste dieser Art in Deutschland. Bild in Detailansicht öffnen

Die ältesten erhaltenen Grabsteine auf dem „Heiligen Sand“ in Worms werden auf Mitte des 12. Jahrhunderts datiert. Die Wormser Synagoge mit der angeschlossenen Frauenschule wurde 1034 geweiht und insgesamt viermal zerstört, zuletzt infolge der Nazi-Pogrome 1938. Auch in Worms ist eine Mikwe aus dem 12. Jahrhundert erhalten.

Der Mainzer „Judensand“ stammt wie der Wormser Friedhof aus dem 11. Jahrhundert und ist das einzige erhaltene Zeugnis des jüdischen Mainz des Mittelalters. Als jüdisches Zentrum in Mainz fungiert heute die 2010 eingeweihte Neue Synagoge des Architekten Manuel Herz.

„Alle wollten so ein bisschen sein wie SchUM“: So bedeutend sind die Stätten bis heute

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