Die Produktion von Heldenfiguren ist entscheidend für den Widerstand
Der Ukraine-Krieg stelle infrage, ob wir wirklich in einem „postheroischen Zeitalter“ leben, meint der Freiburger Soziologe Professor Ulrich Bröckling im Gespräch mit SWR2: „Wir sehen eine enorme Affizierungskraft und Mobilisierungskraft durch Fernsehbilder.“
Das gelte besonders für die Auftritte des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyj und des Bürgermeisters von Kiew, Klitschko. „Ich glaube sicher, dass die Veränderung der Politik in den westlichen Ländern mit diesen Auftritten zu tun hat.“ Die Produktion von Helden ist aus Bröcklings Sicht „ganz entscheidend“ für den Widerstand der Ukraine im Krieg: „Heldenfiguren sind immer auch Bilder, die eine Bevölkerung von sich selbst macht.“
Aus Heldentum entsteht ein neuer nationaler Mythos
Man dürfe aber nicht vergessen, dass Heldentum mit Tod und Sterben verbunden ist. „Heldentum hat immer auch eine dunkle Situation“, gibt Bröckling zu bedenken. Darüber hinaus erinnert Bröckling daran, dass Geschichten von Helden auch Mythen seien, bei den polarisiert und personalisiert werde. In diesem Sinne sei Selenskyj der moderne David und Putin der Goliath, der immer mehr zu einer „dämonischen Gestalt“ gemacht werde.
Abzuwarten ist aus Bröcklings Perspektive, wie sich die Ereignisse auf die Menschen in der Ukraine auswirke: „Im Moment entsteht ein neuer nationaler Mythos der Ukraine. Da wird man sehen müssen, ob das auf Befreiung und Freiheit abzielt oder ob das in eine nationalistische Richtung geht.“
Ulrich Bröckling ist Professor für Soziologie an der Universität Freiburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt auch die Soziologie des Krieges und des Militärs. Im Jahr 2020 erschien von Bröckling im Suhrkamp-Verlag das Buch „Postheroische Helden. Ein Zeitbild“.