Keine Einzelfälle
Das in Nordrhein-Westfalen aufgeflogene Netz von Beamten, die sich in verfassungsfeindlichen Chatgruppen tummelten, sei kein Einzelfall – diese Formulierung vom „Einzelfall” sei, so der Eindruck, in der Vergangenheit häufig bemüht worden, um das Ausmaß des Problems kleinzureden, meint Martín Steinhagen. In den vergangenen Tagen habe sich jedoch etwas verschoben, wie die Äußerungen von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zeigten, die dazu aufforderte auch Ermöglichungsstrukturen für rechtsextreme Netzwerke jenseits der Einzelfall-Debatte zu betrachten.
Freund*innen und Helfer*innen?
Die Berufsgruppen der Polizei und Sicherkeitskräfte stünden besonders im Fokus, weil sie als Vertreter*innen des staatlichen Gewaltmonopols Zugang zu Waffen und Informationen hätten, erklärt der Publizist. Man müsse bedenken, dass der Polizei-Beruf auch Menschen anziehen könne, deren Interesse vorrangig in der Gewaltausübung liege. Allerdings fehle es aktuell noch an umfangreichen und verlässlichen Zahlen zum Thema Rechtsextremismus und Polizei. Umfassende Studien seien erforderlich, über die vieldiskutierte – von Bundesinnenminister Horst Seehofer abgelehnte – Untersuchung zum Racial-Profiling hinaus.
Kein rein ostdeutsches Problem
In Mecklenburg-Vorpommern gab es bereits vor Jahren die „Nordkreuz“-Vereinigung, der über 50 Polizisten angehörten. Es sei allerdings schon immer ein Fehler gewesen, so der Autor der Dokumentation „Tödlicher Hass: Der Mordfall Walter Lübcke“, das Problem rechstextremer Netzwerke in der Polizei als ein rein ostdeutsches Phänomen zu sehen, wie die Fälle in Essen oder auch der „NSU 2.0“ mit Verbindungen in die Polizei in Hessen zeigten.
Die nächsten Schritte seien jetzt, so Steinhagen, einerseits das Sammeln von wissenschaftlichen Informationen und Untersuchungen, andererseits aber auch eine offene Kommunikation, die sich gegen die Kultur des Schweigens und den Korpsgeist innerhalb mancher Behörden wende.