In Gemeinden würden Bauaufträge nach wie vor nach Absprachen vergeben: „Im Gegenzug wird dann dem Bürgermeister das Haus angemalt oder seine Tochter bekommt einen Pool ausgemauert.“ Der Charakter einer Operetten-Republik mache das Land auch sympathisch, aber in der Bundespolitik dürfe so etwas nun einmal nicht vorkommen, so der Schriftsteller.
Überraschend sei es deshalb auch, dass der neue Bundeskanzler Alexander Schallenberg so selbstgewiss erklärt habe, die Vorwürfe gegen seinen Amtsvorgänger Sebastian Kurz würden sich als Luftschlösser erweisen. Solche Äußerungen deuteten darauf hin, so Franzobel, dass Kurz ein Schattenkanzler sein und Schallenberg eine Kanzler-Marionette bleiben werde. Die Vorwürfe gegen Kurz seien eigentlich so massiv und fundamentiert, dass man sich nicht vorstellen könne, wie ein solcher Politiker in einer anderen westlichen Demokratie noch im Politgeschäft bleiben kann.
Allerdings habe der „Nimbus des Messias oder vom sauberen Schwiegersohn“ nun auch in Österreich zu bröckeln begonnen. Auch wenn Kurz es geschafft habe, die ÖVP zu einen und zu Wahlerfolgen zu führen, seien die Skandale in der Bevölkerung angekommen. Die veröffentlichten Chatverläufe zeigten einfach zu deutlich, dass es in der ÖVP-Spitze um Kurz nur um Machterhalt gegangen sei. Wie sich das bei den nächsten Wahlen auswirke, lasse sich allerdings nicht prognostizieren.