Je länger die Perspektive fehlt, desto weniger Energie
Seit zwei Jahren steht die Welt der Schülerinnen Kopf: Maskenpflicht, Abstand halten, Hände waschen, Lockdown, Schulschließungen Statt: Freunde treffen, Flirten, Tanzen, Abenteuer, Reisen – alles weg. Sozialpädagogin Isabel Menthor will mit den 15-Jährigen am katholischen Mädchengymnasium St. Agnes Stuttgart ins Gespräch kommen: „Wie ging es Euch im Lockdown, als ihr im Homeschooling wart?“
Die Schülerinnen in Stuttgart berichten von Schwierigkeiten, mit anhaltendem Lockdown aus dem Bett zu kommen und überhaupt Motivation für den Tag aufzubringen, die Ungewissheit wie es mit dem Unterricht weiter geht, hat an ihnen genagt. „Also ich hatte am Ende überhaupt keine sozialen Kontakte mehr, ich war die ganze Zeit nur in meinem Zimmer, war unmotiviert, es war gefühlt so, dass jeder Tag gleich war, man hat keinen Unterschied mehr gespürt“, erzählt eines der Mädchen.
Suizidale Krisen nehmen zu
Zwei Jahre Pandemie sind gerade für Jugendliche eine lange Zeit, sagt Dagmar Preiss, Leiterin des Stuttgarter Gesundheitsladens. In ihrer Beratungsstelle habe sie vermehrt Angst- und Panikattacken oder Esstörungen festgestellt: „Was uns aber am meisten Sorge bereitet, das ist die Zunahme von suizidalen Krisen bei Jugendlichen. Also, das war vor Covid eher die Ausnahme, und wir hatten jetzt schon viele suizidale Krisen bei den Jugendlichen, das waren beachtliche Zahlen.“
Fast jedes dritte Kind ist ängstlich, leidet unter psychischen Auffälligkeiten, so die Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, eine Langzeitstudie zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie.
Im vergangenen Jahr verzeichnete Professor Tobias Renner, Leiter der Tübinger Kinder- und Jugendpsychiatrie, fünfzig Prozent mehr Notaufnahmen. Eltern müssten gestärkt werden, so Renner, und wir bräuchten in den Schulen ein zuverlässiges Netz an Lehrkräften, Pädagog*innen und Psycholog*innen, die sich kümmern und verantwortlich fühlen.
Fragen, wie es geht
Das Wichtigste, wenn man sich um Kinder und Jugendliche kümmern möchte, erklärt Tobias Renner, sei, aufrichtiges Interesse an ihnen zu zeigen und nachzufragen, wie es ihnen geht: „Das ist ein Dooropener, der für Kinder und Jugendliche immanent wichtig ist, der aber manchmal unterbleibt, weil man sich Sorgen macht, was passiert, wenn jemand dann sagt: Mir geht es schlecht.“
Mit der Aktion #WirWerdenLaut machen Schülervertreterinnen und -vertreter ihrem Ärger Luft und wenden sich in einer Petition an die Bundesregierung. Denn sie wollen endlich wahrgenommen werden, auch von der Politik.