Eine Rettung macht wirtschaftlich keinen Sinn
Ende Juni im Weinort Mayschoß: ein Abrissbagger zermalmt das Hauptgebäude der örtlichen Winzergenossenschaft. Mit dem Stufengiebel zerbröselt das bauliche Zeugnis der „ältesten Winzergenossenschaft der Welt“, so nennt sich die 150 Jahre alte Vereinigung gern. Diese Landmarke des Ahrtals zu retten: unmöglich, betont Dirk Stephan, Geschäftsführer die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr.
„Weil das wirtschaftlich keinen Sinn macht. Das ist ein Fass ohne Boden. Wir könnten es wieder neu aufbauen. Aber es macht wirtschaftlich keinen Sinn. Es wird teurer vom Wiederaufbau, da macht ein Neubau mehr Sinn und ist kostengünstiger. Für die nächsten 50 Jahr auf jeden Fall kostengünstiger.
Es fehlt an Gestaltungskonzepten
Und die 150 Jahre alte Tradition, für die das architektonische Herzstück mit den großen Sprossenfenstern stand?
„Die bleibt ja weiterbestehen. Das Herz behalten wir ja. Nur das alte Herz wird in das neue Gebäude einfließen. Auch die alten Werte werden irgendwie in das neue Gebäude wieder mit einfließen, sodass wir das erhalten können.“
„Irgendwie“ sagt der Geschäftsführer. Dieses „Irgendwie“ dominiert den Wiederaufbau im Ahrtal, kritisiert Anette Bartsch, Architektin in Bad Neuenahr, dabei sei doch eigentlich das Ziel gewesen, Modellregion zu werden. Doch dafür fehlten Gestaltungskonzepte.
Es wird zu häufig abgerissen
Nicht denkmalgeschützte, aber dennoch erhaltenswerte Bausubstanz wird zu häufig abgerissen, das finden neben Bartsch auch weitere Architekten sowie die Vereine „Historischen Ahrtal“ und „Lebenswerte Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler“.
Um das zu besprechen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, hat der Verein die Landeskonservatorin von Rheinland-Pfalz in das Zelt der Hilfsorganisation AHRCHE in Ahrweiler eingeladen. Rund 60 Interessierte haben sich zusammengefunden.
Viele Straßenzüge werden sich stark verändern
Der Regen prasselt heftig aufs Zeltdach, während Roswitha Kaiser ihre Sicht des Problems umreißt, von Gewitterdonner unterbrochen. In den vergangen 40 Jahren, sagt die Landeskonservatorin, habe der Landkreis Ahrweiler erst begonnen, eine „Denkmal-Topographie“ zu erstellen. Eine Form und Lagebeschreibung historischer Bausubstanz also.
Verluste, die besonders schmerzen, wenn sie die kulturhistorische DNA des Ahrtals betreffen, unter anderem die eher lokale bäuerliche Traditionsgeschichte der Weinorte. Markus Hartmann, Sprecher der Bürgerinitiative Lebenswerte Stadt:
„Ich weiß, dass sich in Mayschoß ein bis dato relativ geschlossener Straßenzug das Dorf hoch sehr stark verändern wird, weil dann Fachwerkhäuser fallen. Und ich bin mir nicht sicher ob das sein muss, ob die Beratung ausreichend ist.“
Auch das Kurwesen ist betroffen
Hartmann hebt die Stimme gegen den anschwellenden Regen, der aufs Zeltdach niedergeht. Auch was nicht denkmalgeschützt ist, könnten die Kommunen als „erhaltenswerte Bausubstanz“ einstufen und sich für den Erhalt einsetzen. Doch die flutgeschädigten Gemeinden im Ahrtal haben derzeit andere Sorgen. Der Weinbau mit seinen Steilterrassen ist nur eine Besonderheit des Ahrtals, Hebt Landeskonservatorin Kaiser hervor.
„Und dann kommt im 19. Jahrhundert die zweite die Jüngere DNA dazu. Und die ist natürlich völlig verschieden von dem regionaltypischen Miteinander aus der landwirtschaftlichen Weinbautradition. Nämlich das Kurwesen.“
Gravierende Schäden, die sich nicht zu sanieren lohnen
Das mondäne Kurwesen mit Badehäusern, und prächtigen Hotels und neobarockem Kurhaus in Schlossarchitektur, bis zur Flut Spielcasino. Das ausgedehnte Kurviertel liegt direkt an der Ahr, ist gravierend beschädigt. Schon vor der Flut hatte die Stadt ein Kurensemble mit Trinkhalle und Wandelgang der 1930 Jahre im Kurpark abgerissen.
Intakt sieht zumindest von außen die 150 Jahre alte klassizistische Villa des international renommierten Neuenahrer Badearztes Richard Schmitz aus. Doch der Stadtrat sieht das anders, die Sanierung rechne sich nicht mehr. Die Offene Kinder- und Jugendarbeit soll hier ausziehen. Verkauf samt Abriss drohen. „Die Villa ist Geschichte“ will die Rhein-Zeitung wissen.