Zeitgenossen

Petra Gerster: „Feministin bis zum Lebensende“.

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INTERVIEW
Doris Maull

Nachdem sie sich für das Gendersternchen entschieden hatte, erlebte sie einen regelrechten Shitstorm, erinnert sich Petra Gerster, bis zum Mai 2021 ZDF-Moderatorin, in SWR2. Mit ihrem Mann Christian Nürnberger schrieb sie ein Buch über diese Erfahrungen: „Vermintes Gelände. Wie der Krieg um Wörter unsere Gesellschaft verändert“. Qualitätsjournalismus und feministisches Engagement sind das Markenzeichen von Gerster.

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Während 1989 in Berlin die Mauer fiel, war die Journalistin Petra Gerster ebenfalls an einer Revolution beteiligt. Sie gehörte zum Gründungsteam von „ML-Mona Lisa“, des ersten bundesweiten TV-Frauenmagazins.

„Mona Lisa war wie ein Geschenk des Himmels“, sagt die 67-jährige Wormserin rückblickend. Sie hätte damals über alles berichtet: über Frauen im Knast, Kindesmissbrauch oder über verarmte Rentnerinnen. „Das war eine sehr schöne Arbeit.“

Feministin schon mit 14 Jahren

Das feministische Engagement war Petra Gerster quasi in die Wiege gelegt. Ihre Großmutter sei Kriegswitwe gewesen und habe die Enkelin durch ihre Erzählungen früh für die Sache der Frauen begeistert. „Meine Großmutter hat mich sehr beeindruckt“, betont Petra Gerster. Darüber hinaus sei sie in einem sehr liberalen Elternhaus aufgewachsen. Als 1971 der berühmte Stern- Titel „Wir haben abgetrieben“ erschienen sei, wären sie sich in ihrer Familie alle einig gewesen, dass der Paragraph 218 abgeschafft werden sollte.

Bewegung #me too hat viel bewegt

„Ich finde #me too großartig“, betont Petra Gerster. Durch einzelne, mutige Protagonistinnen sei diskutiert worden, dass Frauen sexuelle Übergriffe in allen Lebensbereichen widerfahren sind. Auch sie selber sei Opfer solcher sexuellen Übergriffe geworden, sagte Gerster. Und zwar als Praktikantin bei der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Darüber zu sprechen, sei für sie damals nicht möglich gewesen. Deshalb reagiere sie heute allergisch auf Menschen, die kritisierten: „Ach, 30 Jahre haben Sie den Mund gehalten, und jetzt plötzlich.“

Gendern macht Frauen und Vielfalt sichtbar

Nach der Auszeichnung mit der Hedwig Dohm-Urkunde durch den Journalistinnenbund habe sie begonnen, das Gendersternchen zu benutzen, so Gerster. „Mich hat überzeugt, dass es so eine ökonomische Form ist. Dass man mit einer Minipause und -innen drangehängt, wirklich wunderbar beide Geschlechter kombiniert und Transpersonen und non-binäre Personen mit einschließt.“ Die Kritik Navid Kermanis, die er kürzlich in der ZEIT geäußert hat, das Gendern bringe die Gleichberechtigung keinen Schritt voran, teile sie nicht, so Gerster. Um das wirklich beurteilen zu können, müsse das Gendersternchen erst einmal mindestens 10 Jahre Verwendung finden.

Leute von den Palmen herunterholen

Nach Veröffentlichung ihres Buches „Vermintes Gelände – wie der Krieg um Wörter unsere Gesellschaft verändert“, habe sie einen Shitstorm erlebt, erinnert sich Petra Gerster. Da sie nicht in den sozialen Medien vertreten sei, hätte sie vor allem lange Briefe von älteren Männern bekommen. Daraufhin habe sie gerätselt, wie diese emotionalen Überreaktionen zustande kommen. Sicher hätten auch die Medien Schuld daran, da sie Konflikte enorm zuspitzen würden. Und sie wies noch auf einen anderen Zusammenhang hin: „Wenn Konservative nicht mehr wissen, was konservativ ist, wissen sie es spätestens, wenn jemand gendert.“ Petra Gerster plädierte in dem Zusammenhang für mehr Gelassenheit. „Wir müssen die Leute von den Palmen runterholen.“

SWR2 Wissen: Aula Wann und wie ist Gendern sinnvoll?

Das Gendern ist umstritten. Soll man nun „Lehrer*innen“ schreiben bzw. „Vorständin“ sagen? Oder sind Frauen automatisch in der maskulinen Bezeichnung „Lehrer“ bzw. „Vorstand“ eingeschlossen?

SWR2 Wissen: Aula SWR2

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