Gespräch

„Märsche des Lebens“ zum Holocaust-Gedenktag „Jom ha-Shoah“ – „Erinnern darf nicht beim Zurückschauen stehenbleiben“

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INTERVIEW
Doris Maull

Am dem 17. April, dem israelischen Nationalfeiertag Jom ha-Shoah wird jährlich der Opfer der Shoah und der Helden des Widerstands gegen die Judenverfolgung gedacht. Seit 2007 finden an diesem Tag weltweit auch die „Märsche des Lebens“ statt. Ziel sei es, „ein Zeichen der Solidarität mit Israel zu setzen“, so der Direktor dieser Initiative, Heinz Reuss. Auch weil sich „moderner Antisemitismus mit am häufigsten in Gestalt von Israel-Hass“ zeige.

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Der israelische Nationalfeiertag, „Jom ha-Shoah“

Jom ha-Shoah, der israelische Nationalfeiertag, erinnert an den 19. April 1943 – den Tag, an dem der Aufstand im Warschauer Ghetto gegen die Nazis begann. Dieser historische Bezug ist eminent wichtig, so Reuss – umso mehr am achtzigsten Jahrestag des Aufstandes: Jom ha-Shoah gedenke „nicht nur der Opfer, sondern auch der Helden des Widerstandes“. So stünden die diesjährigen „Märsche des Lebens“ auch unter dem Motto „Aufstand gegen Antisemitismus“. Jom ha-Shoah erinnere daran, „dass letztlich Nazi-Deutschland daran gescheitert ist, jüdisches Leben zu zerstören“.

Unterschiedliche Resonanz auf „Märsche des Lebens“

Nicht überall reagiert die Öffentlichkeit positiv auf die „Märsche des Lebens“. Reuss erinnert sich beispielsweise an einen Vorfall in Budapest Ende März, als Betrunkene angesichts eines Gedenkmarsches den Hitlergruß zeigten. Im ukrainischen Lemberg sei man 2019 von der Stadtverwaltung von der Innenstadt ferngehalten worden – aus Furcht vor rechtsradikalen Aufmärschen. Meistens aber, so Reuss, seien die Reaktionen auf die Märsche positiv.

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