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Krank durch Ruß und Qualm – Gefährliche Feuerstellen in Entwicklungsländern

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Thomas Kruchem
Thomas Kruchem (Foto: SWR, privat)
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Ulrike Barwanietz

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Fast die Hälfte der Weltbevölkerung kocht mit offenem Feuer: In den Steppen der Mongolei, in der peruanischen Sierra oder im Hochland Kenias vertreibt man damit auch die Kälte. Das Problem: Beim Kochen und Heizen mit offenem Feuer entsteht Ruß.

Offenes Feuer ist Gefahr für die Gesundheit

Ruß – das ist Feinstaub, dem Stickoxide und gefährliche Kohlenstoffverbindungen anhaften; oft auch Schwefelsäure, Quecksilber, Fluor, Arsen. In Millionen Hütten in Entwicklungsländern stehen hundertmal mehr Rauch und Ruß, als die Weltgesundheitsorganisation WHO als Höchstwert empfiehlt – mit dramatischen Folgen für die Gesundheit der Bewohner.

Sie bekommen besonders häufig Schlaganfälle, Grauen Star, der zu Erblindung führt oder Krebs der oberen Atemwege. Und ihre Lunge wird ruiniert: Staub, der sich in der Lunge abgelagert hat, lässt sich nicht mehr aushusten. Es kommt zu Entzündungen, Lungengewebe stirbt ab und vernarbt. Langfristig drohen chronische Atemwegserkrankungen und Lungenkrebs.

Millionen Tote jährlich durch häusliche Abgase

Die WHO schätzt, dass häusliche Abgase jährlich 3,5 Millionen Menschen töten – fast so viele wie durch die Abgase von Autos, Industrie, Brandrodung und das Abbrennen abgeernteter Felder sterben. Betroffen sind vorwiegend arme Frauen und deren Kinder. Weit mehr Kinder sterben an durch Rauch verursachter Lungenentzündung als an Malaria, Durchfallerkrankungen und Masern zusammen.

Viele Kinder atmen Tag für Tag den Qualm offener Feuerstellen ein – Feinstaub, der Dutzenden oder gar hunderten von Zigaretten entspricht – sagt in Neu Delhi Professor Arvind Kumar, einer der angesehendsten Lungenfachärzte in Indiens: Kleinkinder haben sehr enge Luftröhren, sie leiden also, wenn sich ihre Luftröhre entzündet, sehr schnell an Atemnot.

Das wiederum begünstigt Folge-Infektionen und führt zu dauerhaften Schäden an den oberen Atemorganen. Zusätzlich wird die Entwicklung der Lunge beeinträchtigt – und, wegen des Sauerstoffmangels, auch die Entwicklung des Gehirns. Die betroffenen Kleinkinder können schwere Hirnschäden erleiden, außerdem verschiedenste Wachstumsdefizite, erklärt Kumar.

Gesundheitsprobleme bei Frauen zehnmal häufiger

Die Globale Allianz für saubere Kochherde wurde 2010 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen und sitzt in Washington D. C. In der Allianz fördern Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und Nicht-Regierungs-Organisationsn Projekte für umwelt-, klima- und gesundheitsfreundliches Kochen.

Ein wichtiges Ziel ist auch, die Gesundheit von Frauen zu schützen und deren soziale Situation zu verbessern. Eine Frau in Kenia sammelt täglich im Schnitt dreieinhalb Stunden Holz, eine Frau in Uganda sogar bis zu sechs Stunden pro Tag. In Indien verbringen Frauen zehnmal mehr Zeit als Männer mit unbezahlter Arbeit wie Kochen, Holz- und Wasserschleppen. Mit energieeffizienterem Kochen könnten Frauen viel Zeit sparen; sie könnten Geld verdienen und sich wirtschaftlich emanzipieren.

Im kenianischen Dorf Morageti gibt es neue Herde. Gebaut hat sie die im Dorf lebende Herdbauerin Lydia Wangui. Gemeinsam mit Anna Ingwe von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, GIZ, trägt Lydia Wangui einen Herd in die verrußte Küche der Bäuerin Mary Njambe.

Endlich Solarenergie

Der aus gebranntem Ton vorgefertigte Herd hat eine gute Luftzufuhr von der Seite, eine geschlossene Brennkammer und leitet den Rauch in den im Haus eingebauten Schornstein – bis zum Einbau des neuen Herdes war er jahrelang verstopft. Herdbauerin Lydia Wangui – eine imposante Mama mit grellgrünem Hut auf dem Kopf – streichelt den glatten Ton und lächelt.

Und dann gibt es noch die Visionäre. Zu ihnen zählt Simon Batchelor, ein britischer Photovoltaik-Experte. Das Kochen in Töpfen, die von gebündeltem Sonnenlicht erhitzt werden, habe sich nicht durchgesetzt sagt er. Weit komfortabler und kulturell unproblematisch sei das Kochen mit Strom aus Solarzellen, der in großen Akkus gespeichert wird.

Diese Technik galt lange als zu teuer für Entwicklungsländer. Inzwischen aber sind die Preise für die Bauteile drastisch gesunken. Es gibt hocheffiziente Induktionskocher, und Simon Batchelor weiß aus Untersuchungen: Jeder dritte Nutzer von Holz und Holzkohle wäre bereit, mit Solarstrom zu kochen, wenn ihn das nicht mehr als zehn US-Dollar im Monat kosten würde. Tatsächlich wird das schon Ende 2018 möglich sein – weil der einsetzende Boom bei Elektroautos zu einem drastischen Preisverfall bei Akkus geführt hat.

SWR 2018