Hatten Sie nach einem Kompliment schon mal ein ungutes Gefühl, wussten aber nicht genau, weshalb? Das ist keine Seltenheit, denn gerne verbirgt sich hinter vermeintlich wertschätzenden Worten eine Stichelei. Für Komplimente, die auf subtile Art eine Beleidigung mitschwingen lassen, gibt es sogar einen Fachbegriff: Negging.
Hinter den vermeintlichen „Komplimenten“ steckt nichts Geringeres als eine Form der emotionalen Manipulation – man möchte selbst besser dastehen, während man das Selbstbewusstsein der anderen Person zu untergraben versucht.
Zum Tag der Komplimente haben wir einige Beispiele zusammengefasst, die uns besonders sauer aufgestoßen sind: Ausdrücke der Wertschätzung, die eigentlich keine sind und Schmeicheleien, auf die man besser verzichtet hätte.
Schubladendenken und Alltags-Sexismus: „Für eine Frau...“
„Du legst gut auf – für eine Frau.“
Man mag es heute kaum noch glauben, aber noch immer muss sich jede weibliche DJ dieses „Kompliment“ mindestens einmal in ihrer Karriere gefallen lassen. „Hätte ich gar nicht gedacht, dass du das hinkriegst, mit der ganzen Technik.“ Ja meinst du denn, ich würde sonst hier stehen?

Müßig zu erwähnen, dass dieser Spruch ausschließlich von Männern kommt. Manche scheinen noch immer zu glauben, bestimmte Skills genetisch gepachtet zu haben.
Generell: Alle „Für eine Frau“-Komplimente gehören in die unterste Sexismus-Schublade, denn sie dienen lediglich der Ausgrenzung in eine vermeintlich schwächere Personengruppe, bei der man gute Leistungen besonders herausstellen muss. Diese Sprüche sind nicht nur Zeugnis für Schubladendenken, sondern auch dafür, dass man dem Gegenüber wohl niemals ebenbürtig sein wird.
Herablassend und respektlos: Scheinbare Komplimente, die auf das Alter abzielen
„So cool, dass du in deinem Alter noch feiern gehst!“
Oft kommt der Zusatz: „Das gibt mir Hoffnung“. Tja, Worte sind entlarvend: Offensichtlich graut es dem Gegenüber vor dem Älterwerden. Warum eigentlich? Das gute Leben ist ja nicht plötzlich vorbei, wenn man die 33 überschritten hat. Spaß ist das, was man daraus macht. Das gilt mit 20 wie mit 60.
Sollte ich für mein Alter eigentlich schon längst im Bett sein? Ich weiß, es war nett gemeint, doch dein Satz zieht eine Grenze zwischen uns. Wäre doch nicht nötig gewesen, oder?

„Wow! Du siehst viel jünger aus!“
Nein, tue ich nicht. Möchte ich auch nicht. Ich möchte für mein Alter respektiert und nicht weiter beelendet werden.
Diese „Für dein Alter“-Komplimente sind ein Skandal und sollten verboten werden. Denn in den scheinbar schmeichelhaften Worten steckt eine giftige Wahrheit: Frauen sollen jung und fuckable sein, sonst sind sie in unserer Gesellschaft nichts mehr wert.
„Das ist aber schon viel Verantwortung für dein Alter.“
Wer bereits in jungen Jahren eine zentrale Aufgabe im Beruf oder im Ehrenamt übernimmt, der kann damit rechnen, dass Außenstehende gerne mal ihre Verwunderung bekunden. Dabei ist es heute nicht und war es nie verwunderlich, wenn Menschen mit Elan, Weitblick oder einfach Fleiß bereits als Teens oder Twens an zentralen Stellen schalten und walten.
Wo das „Für eine Frau“-Kompliment den Sexismus des oder der Sprechenden entblößt, zeugt „Für dein Alter“ von Altersvoreingenommenheit. Im schlimmsten Fall fühlt sich das Gegenüber infantilisiert und nicht ernst genommen.
Oberflächlichkeit lässt grüßen: Komplimente, die nur auf die Optik abzielen
„Du siehst ja richtig gut aus. Sag mal, hast du abgenommen?“
„Body Shaming“ nennt man es, wenn Menschen ob ihrer äußeren Erscheinung verhöhnt, ausgegrenzt oder einfach nicht beachtet werden. Millionen Menschen leiden unter den unerreichbaren Schönheitsidealen, die ihnen aus den Sozialen Medien, von den Werbeflächen oder aus Hollywood entgegenlächeln.
Wer nach dem Gewicht des Gegenübers fragt, reißt hier vielleicht ungewollt Wunden auf. Denn was ist, wenn das Gewicht ungewollt stagniert oder man vielleicht sogar trotz aller Mühen zugenommen hat? Oder wenn man sich trotz gepurzelter Pfunde unwohl im eigenen Körper fühlt?
„Total mutig von dir, so eine kurze Hose zu tragen! Ich würde mich das ja nicht trauen.“
Ein reines Scheinkompliment, hinter dem sich in Wahrheit gar eine Beleidigung verbirgt: Denn hier geht es nicht darum, den Mut für ein Kleidungsstück zu loben, sondern einzig um die Botschaft, dass das Gegenüber das Outfit als grenzwertig empfindet und dem Verlangen, das kundzutun, nicht widerstehen kann.

Getragen werden darf, worin man sich wohlfühlt. Und das sollte man für sich alleine entscheiden – ganz gleich, wie andere dazu stehen. Und wenn man ein Kleidungsstück unbedingt loben möchte, dann doch bitte ohne negative Note dabei. Das geht ganz einfach: Schöne Hose.
„Du bist so eine hübsche Frau – genau wie deine Mutter“
Mit manchen Leuten geht die Nostalgie durch, wenn sie einem Komplimente wie dieses machen. Dass das nicht nur respektlos, sondern auch unverschämt ankommen könnte, ist kaum einem klar. Es ist sicherlich gut gemeint, aber als erwachsene Frau möchte man nicht zwingend mit seiner Mutter verglichen werden.
Man hat sich nicht über anstrengende Jahre der Pubertät von der eigenen Mutter emanzipiert und entnabelt, damit man dann doch wieder nur auf sie reduziert wird. Eine Absprache der Eigenständigkeit nützt niemandem etwas, außer vielleicht der Frau Mama, die sich über das Kompliment sicher mehr freut.