Der Papst im Parka ist ein viraler Hit, zumindest in den Sozialen Medien. Sieht aus wie ein Foto, stammt aber von einer KI. Was zeigt: Es wird immer schwieriger, zwischen Wahrheit und Fälschung zu unterscheiden. Ein Anlass zur Besorgnis? Netzexperte Christian Schiffer plädiert für Gelassenheit.
Lässige urbane Streetware trifft auf päpstliche Eleganz
Der Papst unterwegs auf der Straße, von oben bis unten eingehüllt in eine dicke, weiß-silberne Puffer-Jacke. So eine, wie sie Rapper in Musik-Videos tragen, oder Blinki-Blinki-Influencer auf TikTok. Das Bild ist deswegen faszinierend und schon auch recht lustig, weil hier zwei Dinge zusammenkommen, die nicht unbedingt zusammen gehören: Päpstliche Extravaganz auf der einen Seite, lässige urbane Winter-Streetware auf der anderen.
Das Bild wurde auf Twitter 160.000 mal geliked und ist ein Viral-Hit. Das Problem daran: Das Bild ist nicht echt. Kreiert hat es ein 31-jähriger Bauarbeiter aus Chicago, während er auf einem Trip mit halluzinogenen Pilzen war. Oder genauer: Kreiert hat es eine künstliche Intelligenz, der ein 31-jähriger Bauarbeiter aus Chicago gesagt hat, dass sie es kreieren soll, während er auf einem Trip mit halluzinogenen Pilzen war
Die KI macht aus Ideen Bilder
Benutzt hat der junge Mann hierbei den Bildgenerator Midjourney. Bei Midjourney, DallE oder Stable Diffusion gibt man einfach ein, was man sehen will und die Algorithmen erledigen den Rest. PacMan auf dem Wetten Dass-Sofa, Godzilla als Oktoberfest-Kellnerin oder eben ein Papst in einer dicken Puffer-Jacke: die KI macht aus Ideen Bilder.
Und die sind mittlerweile so realistisch, dass man schon sehr genau hinschauen muss, um zu erahnen, dass etwas nicht stimmt. Im Fall des Papst-Bildes fehlt ein charakteristischer Leberfleck, der Daumennagel an der linken Hand sieht unnatürlich aus, außerdem ist die Kreuz-Kette, die der Pontifex über dem Daunenmantel trägt, unvollständig. Nichtsdestotrotz ist das KI-Bild durchaus überzeugend und in Zukunft wird KI noch raffiniertere Bilder kreieren – und das wiederum könnte zum Problem werden.
Droht die Photoshopisierung der ganzen Welt?
Doch es schwappte nicht nur das skurrile KI-Bild des Papstes durch das Netz, sondern auch ein anderes Fake-Foto. Es zeigt Männer mit südländischem Erscheinungsbild, mit verzerrten, aggressiven Gesichtern. Darunter steht „Nein zu noch mehr Flüchtlingen“ und geteilt hat es ein AfD-Abgeordneter. Das Bild ist nicht ganz so gut wie das des Papstes. Von links ragt etwa eine Hand hinein, die sechs Finger hat. Und dennoch: Wer flüchtig draufschaut, der könnte das ganze für ein echtes Foto halten.
Schon seit längerem geht die Sorge um, dass KI-Bildgeneratoren eben auch benutzt werden könnten, um sehr viel Quatsch zu generieren, im schlimmsten Fall sogar gefährlichen Quatsch. Eine Flut an Fake-Bilder könnte bald über uns hereinbrechen und am Ende stünde die Photoshopisierung der ganzen Welt, so die Befürchtungen. Alles nur noch fake, nichts mehr real.
Große Herausforderungen, aber für Panik gibt es keinen Grund
In der Tat könnten die Tage vorbei sein, in denen ein Foto oder ein Video noch halbwegs als Beweis der Authentizität gelten kann. Auch Stimmen wird man in Zukunft problemlos klonen können. In den USA kam es bereits zu Betrugsfällen, bei denen die Opfer die vermeintlichen Stimmen ihrer Angehörigen am Telefon hörten, die aber Betrüger per KI fingiert hatten.
Wir werden also eine ganz neue Form von Medien-Kompetenz brauchen. Und wir werden auch über technische Lösungen nachdenken müssen: Bilder und Videos werden in Zukunft einen digitalen Stempel benötigen, um als echt zu gelten. All das ist herausfordernd und dennoch: Für Panik gibt es keinen Grund.
Denn aus der Psychologie wissen wir, dass Menschen ohnehin gerne das glauben, was sie glauben wollen und nicht unbedingt das, was sie sehen. Es klingt vielleicht nicht besonders beruhigend, aber trotzdem hilft es, sich eines klar zu machen: Das post-faktische Zeitalter ist so alt wie die Menschheit.
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Bei Instagram und TikTok ist es ein viraler Hit: Die App Lensa generiert mit Hilfe künstlicher Intelligenz Porträts ihrer Nutzer*innen, die das eigene Selfie wie ein echtes Fantasy-Kunstwerk erscheinen lassen. Doch Künstler*innen schlagen Alarm. Sie fürchten wegen der neuen KI um ihre Existenz.
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Kreativität und KI: Ist Maschinenkunst auch Kunst?
Programme wie Dall-E oder Midjourney revolutionieren die Art und Weise wie Kunst hergestellt wird. Es braucht nur noch eine Eingabe, einen Prompt, der das gewünschte Bild präzise beschreibt und in Windeseile spuckt der Algorithmus passende Darstellungen aus.
Gerade hat Google ImaGen vorgestellt, das bewegte Bilder herstellt, Videos zu bauen ist also auch kein Problem mehr. Schon lange gibt es automatische Textgeneratoren wie GPT-3. Die Zukunft ganzer Berufszweige der Kreativbranche scheint bedroht zu sein.
Der Künstler Mario Klingemann arbeitet schon lange mit KI. Jetzt, wo jede*r mithilfe von Programmen wie Dall-E Kunst erzeugen kann, wird es für ihn als Künstler immer schwerer wirklich Neues zu schaffen: „Das reine Erzeugen hübscher Bilder ist mir zu einfach. Ich versuche herauszufinden, was Kunst ausmacht“, sagt er uns.
Die Literaturwissenschaftlerin Stephanie Catani von der Uni Würzburg forscht unter anderem zu Literatur und Kunst, die auf Algorithmen basiert. Sie ist der Meinung, dass eine KI erst mal noch nicht den großen Roman schreiben wird.
Einen ganzen fiktionalen Text zu schreiben, das könnten Maschinen noch nicht besonders gut. Was Catani hingegen mehr interessiere, ist die Frage: „Welches kreative Potenzial steckt in der Maschine als Tool für Künstler*innen der Gegenwart? Denn das eigentlich Kreative ist, mit diesem Programm so umzugehen, dass etwas entsteht, was weiterdenkt.“
Unsere Kollegen vom NDR haben in ihrem Podcast „Die Idee“ auch eine Folge zum Thema Künstliche Intelligenz gemacht! Norbert Grundei spricht darin mit dem KI-Experten Prof. Peter Kabel darüber, ob Künstliche Intelligenz die Bestseller von morgen schreibt oder die Charthits, die wir hören. Er sagt: Ja! Denn für bestimmte Texte ist heute schon KI verantwortlich. Hört doch mal rein bei „Die Idee“:
https://www.ardaudiothek.de/episode/die-idee-mit-norbert-grundei/36-was-kann-die-kuenstliche-intelligenz-prof-peter-kabel/n-joy/12007465/
Weblinks zum Thema:
Dall-E 2: https://openai.com/dall-e-2/
Midjourney: https://www.midjourney.com/home/
Google KI-Video Genarator: https://imagen.research.google/video/
Mario Klingemann: https://quasimondo.com/
KI-Podcast Steve Jobs im Joe Rogan-Interview: https://share.transistor.fm/s/22f16c7f
SWR Wissenschaftspodcast "Fakt ab": https://www.ardaudiothek.de/episode/fakt-ab-eine-woche-wissenschaft/sie-hat-jetzt-einen-anwalt-eine-google-ki-macht-ernst/swr2/10625093/
Was geht - was bleibt? Die Debatte um LaMDA: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/debatte-um-lamda-haben-algorithmen-gefuehle/swr2/10588035/
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Max Knieriemen
Redaktion: Max Knieriemen und Kristine Harthauer
Netzkultur Dall-E und CrAIyon. KI-Revolution im Grafikdesign?
Eine Brokkoli-Atombombe, Jürgen Habermas isst einen Burger und so ziemlich alle Comicfiguren als Angeklagte bei den Nürnberger Prozessen. Dall-E und CrAIyon heißen die neuen Anwendungen, die aus allen noch so absurden Textstücken mittels Künstlicher Intelligenz Bilder erzeugen. Eine Innovation, die bald viele Fotografen und Illustratoren arbeitslos machen könnte, vorerst aber vor allem für viel Spaß sorgt.
Kulturmedienschau KI-Grafikgenerator „Dall-E Mini“ bedroht Jobs von Grafikerinnen und Illustratoren | 14.6.2022
Das Netz ist verrückt nach dem KI-Grafikgenerator „Dall-E Mini“, so auch die SWR2-Kulturmedienschau. Die künstliche Intelligenz, die Sprache in Bilder umsetzt, bedroht die Jobs von Grafikern und Illustratoren. Der Schriftsteller Clemens J. Setz findet Dall-E „hinreißend“, besonders weil die junge Künstliche Intelligenz noch keine Ahnung von Sex hat.