Die EU könne der Ukraine schneller und besser helfen als durch den Status als Beitrittskandidat, sagt der Migrationsforscher und Politikberater Gerald Knaus.
Der Status sei zwar die richtige Entscheidung, aber: Anstatt die zermürbende Erfahrung einer jahrzehntelange Warteschleife von Ländern wie Nordmazedonien oder Bosnien zu wiederholen, könne die EU dem Land Zugang zu den vier Grundfreiheiten bieten: Freizügigkeit für Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Das sei ein konkretes und erreichbares Ziel.
Tagesgespräch Ifo-Präsident Fuest: Wenig Spielraum für höhere Löhne
Der Präsident des Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, sieht wenig Spielraum für Lohnerhöhungen in Deutschland. Das Ifo-Institut hat heute seine Frühjahrs-Konjunkturprognose veröffentlicht - darin gehen die Experten davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr um 0,1 Prozent schrumpft. Im SWR Tagesgespräch erklärte Fuest, was das für die Tarifverhandlungen bedeute: "Wir sind als Land insgesamt ärmer geworden und das heißt, dass die realen Einkommen bedauerlicherweise schrumpfen müssen. Daran führt bei den Löhnen kein Weg vorbei." Gleichzeitig schränkte Fuest ein, dass es wegen des Arbeitskräftemangels auch Ausnahmen gebe: "Viele Unternehmen haben nicht genug Leute. Das spricht wieder für kräftigere Lohnerhöhungen. Die Tarifpartner sollten idealerweise dort, wo der Mangel besonders groß ist, die Löhne stärker erhöhen, als in Bereichen, wo der Mangel nicht so gross ist."
Beim Vergleich der verschiedenen Wirtschaftszweige sieht Fuest die größten Probleme bei der Bauwirtschaft. Der Sektor habe lange geboomt dank billigen Geldes und hoher Nachfrage, so Fuest, "und da haben wir einen regelrechten Einbruch zu verzeichnen. Der hat zu tun mit den stark gestiegenen Baupreisen aber natürlich auch mit den sehr stark gestiegenen Zinsen. Die Kombination führt dazu, dass da viele Projekte abgebrochen werden." Für die Industrie geht es laut Fuest aufwärts. Die Lieferprobleme "entspannen sich im Moment etwas und das bedeutet, dass die vollen Auftragsbücher auch abgearbeitet werden können", prognostiziert Fuest.
Tagesgespräch Ukrainischer Botschafter Makeiev: Handel ist sehr wichtig
Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev bereist im Moment den Südwesten Deutschlands: Heute ist er in Stuttgart, morgen in Mainz. Im SWR Tagesgespräch sagte er, bei diesen Besuchen gehe es nicht nur um Waffen, die NATO oder die EU-Mitgliedschaft: "Es geht mir in erster Linie um meine Mitbürger, um die Schutzsuchenden überall in Deutschland. Und es geht auch um die Wirtschaft. Meine Idee ist, dass wir nach einem Jahr des Krieges langsam einen weiteren Schritt machen, und dass die Deutschen auch ukrainische Waren und Produkte kaufen. Der Handel - das ist mir sehr wichtig."
Mit der deutschen Unterstützung für das ukrainische Militär ist Makeiev zufrieden: "In den letzten vier Monaten hat sich viel geändert", so der Botschafter. Die Zusammenarbeit sei nun strategischer. Generell ist Makeiev mit den Beziehungen zufrieden: "Ich genieße ein sehr offenes und ehrliches Gespräch mit Kolleginnen in der Bundesregierung und im Bundestag. Und wir führen diese Gespräche sehr vertrauensvoll. Ich brauche keine Medien, um das zum Ausdruck zu bringen, was ich in einem persönlichen Gespräch mit einem Verteidigungsminister oder einer Außenministerin tun kann", so Makeiev.
Netzkultur Putins langer Arm – Wie Sanktionen auf Facebook umgangen werden
Im Frühjahr 2022 verhängte die EU Sanktionen gegen das staatliche Auslandsfernsehprogramm RT, ehemals „Russia Today“, als Konsequenz des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die RT-Inhalte dürfen nicht mehr in Deutschland und anderen EU-Ländern zu sehen sein. Eine Auswertung von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung zeigt, wie sich auf Facebook RT-Artikel trotzdem weiterverbreiten.
Kunst „From 1914 till Ukraine“ im Kunstmuseum Stuttgart
Wie blicken ukrainische Künstlerinnen und Künstler auf den völkerrechtswidrigen russischen Einmarsch in die Ukraine und welche Parallelen lassen sich dabei zum Werk von Otto Dix ziehen? Diesen Fragen geht die Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart nach.
Das Leiden der Frauen aus der Ukraine Kateryna Mishchenko: Flucht ist eine andere Form der Einsamkeit
In Deutschland leben rund 1,1 Millionen ukrainische Geflüchtete, die Mehrheit von ihnen Frauen und Kinder. Deutschland wird zum Zufluchtsort, dennoch findet für die vielen Geflüchteten eine Entfremdung statt, sagt Kateryna Mishchenko. Die Ukrainerin lebt mit ihrem Kind in Berlin, während ihr Mann in der Ukraine kämpft, und sie hat ein Buch über ihre Entfremdung geschrieben.
Der neue Ort sei für sie mehr als nur ein fremdes Land, „denn wir Frauen und Kinder verlieren alle sozialen Kontakte und auch unsere Netzwerke“, sagt Mishchenko im Gespräch mit SWR2 Moderatorin Doris Maull. Diese Entfremdung sei „eine ganz andere Form der Einsamkeit.“
Ihr Buch „Aus dem Nebel des Krieges. Die Gegenwart der Ukraine“ ist eine Sammlung von Aufsätzen über „die Gegenwart der Ukraine“ aus verschiedenen Blickwinkeln. Für die Ukrainerin war es wichtig alles aufzuschreiben, denn Schreiben „ist einerseits eine Art Zeugenschaft und andererseits eine therapeutische Praxis und Selbstreflexion“.
Diskussion „Im Westen nichts Neues“ – Wie aktuell ist Remarques Roman?
Was bewirkt ein Krieg seelisch bei denen, die ihn kämpfen? In seinem berühmten Antikriegsroman schilderte Erich Maria Remarque 1929 das Schicksal einer verlorenen Generation, die von der Schulbank weg in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs geschickt wurde. Jetzt zeigt eine Netflix-Neuverfilmung das Grauen an der Front – und erinnert mit Wucht an den Krieg in der Ukraine. Was macht ein Krieg mit Menschen, die ihm ausgeliefert sind, und die mit dem Erlebten weiterleben müssen? Wie zeitlos, wie aktuell ist Remarques Roman? Gregor Papsch diskutiert mit Prof. Dr. Sabina Becker - Literaturwissenschaftlerin, Universität Freiburg, Claudia Junk - Erich Maria Remarque-Friedenszentrum, Universität Osnabrück, Prof. Dr. Jörn Leonhard - Historiker, Universität Freiburg
Tagesgespräch SPD-Außenpolitiker Schmid: Scholz und Biden sind auf einer Wellenlänge
Die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland laufen aus Sicht des außenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, gut. Er widersprach Vermutungen von CDU-Chef Friedrich Merz, dass Bundeskanzler Olaf Scholz nach Washington reise, um Verstimmungen über die Panzerlieferungen an die Ukraine auszuräumen. Es gebe nichts zu entschuldigen, so Schmid im SWR Tagesgespräch: "Das, was zählt, sind die Ergebnisse. Und das letzte Jahr hat gezeigt, dass gerade Biden und Scholz auf der gleichen Wellenlänge sind. In dieser vorsichtig-abwägenden Art bei Waffenlieferung, aber auch in der Klarheit, dass die Ukraine unterstützt wird, solange es notwendig ist. Und da reiht sich jetzt dieser Arbeitsbesuch ein."
Schmid widersprach auch Spekulationen, Scholz und Biden würden über mögliche Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau beraten: "Die Spekulation, da wird jetzt ein geheimer Friedensplan verhandelt, ist auch völliger Blödsinn", so Schmid.
Tagesgespräch CDU-Außenpolitiker Kiesewetter: Ampelkoalition wirkt "gespalten, zerstritten, uneinig"
Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisiert die Ampelkoalition ein Jahr nach der Zeitenwende-Rede als "zerrissen". Anlässlich der Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz, sagte Kiesewetter im SWR Tagesgespräch, lediglich Grüne und die FDP wüssten was auf dem Spiel stünde: "Die Grünen zumindest begreifen, dass wir Sicherheit gegen Russland organisieren müssen und nicht Sicherheit mit Russland. Während die SPD glaubt, nach dem Krieg weiter mit Putin verhandeln zu können. Und da müssen wir uns massiv gegen wehren. Die Koalition wirkt gespalten, zerstritten, uneinig und wir können froh sein, dass wenigstens die Außenministerin dagegen hält und Frau Strack-Zimmermann von der FDP."
Das Bild, das Deutschland ein Jahr nach der Zeitenwende international abgebe, sei Kiesewetter zufolge sehr unterschiedlich: In den USA sei man "entsetzt über Ausschließeritis und Verzögerung", so der Außenpolitiker, in den baltischen Ländern sei das Bild sogar fatal: "Ich denke, dass uns keiner mehr richtig glaubt. Ich glaube, dass Deutschland als Nutznießer wahrgenommen wird, der gerne Sicherheit anderer annimmt und sich sehr schwer tut, Sicherheit nach außen zu gewähren."
Diskussion Renaissance des roten Diktators – Warum die Russen Stalin huldigen
70 Jahre nach seinem Tod ist Josef Stalin für jeden zweiten Russen wieder ein großer Staatsmann. Die Erinnerung an die Millionen Toten unter seiner Herrschaft und an das grausame Lagersystem scheint zu verblassen. Überall im Land werden wieder Stalin-Büsten errichtet. Denn die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg gegen die Nazis nutzt Wladimir Putin, um Russland für seinen imperialen Krieg in der Ukraine zu begeistern. Claus Heinrich diskutiert mit Prof. Dr. Stefan Creuzberger - lehrt deutsche und osteuropäische Zeitgeschichte, Universität Rostock, Katja Gloger - Journalistin und Autorin, Manfred Sapper - Chefredakteur „Osteuropa“
Ein Jahr Zeitenwende-Rede Dietmar Till über Rhetorik im Krieg: „Die Zeitenwende war eine klare Kalkulation“
Besonders im Krieg wählt die Politik ihre Worte mit Bedacht. Der Tübinger Rhetorikprofessor Dietmar Till nennt Olaf Scholz einen „Energiespar-Kanzler“: Er kommuniziere „im reduzierten Schlafmodus“.
Netzkultur Ein Jahr Ukraine-Krieg: Wie Social Media und das Netz den Krieg gezeigt haben
Telegram-Kanäle, Memes, kurze Videos: Seit einem Jahr ringen die Ukraine und Russland um die Deutungshoheit im Netz. Dass die Ukraine den Informationskrieg gewonnen hat, liegt auch an zahlreichen jungen Influencern.
Gespräch „Kinder wissen genau was passiert“ – Anna Zhukovets über ihre Arte-Doku „Kinder im Krieg“
Mehrere ukrainische Kinder hat die Journalistin und Filmemacherin Anna Zuhukovets für ihre Dokumentation „Kinder im Krieg“ für die Reihe „East Tracks“ von ARTE getroffen. Entstanden sind eindringliche Porträts, die den Versuch unternehmen, sich Erfahrungen anzunähern, die man sich kaum vorstellen kann. Die Folgen werden eine ganze Generation prägen.
Ein Jahr schon leben die Menschen in der Ukraine mit dem russischen Angriff. Das wissen wir auch hier. Aber was das konkret heißt, ist schwer zu fassen, wenn man nicht in der gleichen Situation ist. Die Angst davor, dass eine Rakete plötzlich und erwartet die eigene Wohnung trifft, Angst um Verwandte und Freunde, die Trauer um diejenigen, die nicht überlebt haben. Erwachsene können immerhin in den Medien davon erzählen oder über Social Media berichten. Viel zu wenig wissen wir aber immer noch, wenn es um die Erlebnisse von Kindern im Krieg geht – dabei leiden sie am stärksten unter den Folgen. Die Journalistin und Filmemacherin Anna Zhukovets hat einige von ihnen porträtiert und ihre Erlebnisse für eine Folge der arte-Sendung Tracks East aufgezeichnet.
Tagebucheintragungen eines Kindes
Im Gespräch mit SWR 2 spricht sie über Yeghor Kravzov aus Mariupol, dessen Tagebucheinträge beeindruckende Zeugnisse der Kriegserfahrung aus der Perspektive eines Kindes sind. Wo uns Nachrichten Fakten liefern, können solche Zeugnisse ganz andere Einblicke liefern. Zwischen fast erwachsener Reflexionsfähigkeit und Emotionen spannt sich das Netz, denen man mit den Kindern in der Dokumentation begegnet.
Deportationen als Kriegsverbrechen
Auch nach Russland deportierte ukrainische Kinder sind Thema der Dokumentation, selbst wenn ein Kontakt mit ihnen nicht möglich war. Es ist aber ein wichtiger Aspekt, denn „Deportationen sind eines der größten Kriegsverbrechen“, sagt Anna Zuhukovets. Sie, die Erfahrungen von Gewalt, Sterben und Tod werden diese Generation prägen. Auch die danach.
Diskussion Ein Jahr im Krieg – Die Ukraine zwischen allen Fronten
Als die russischen Panzer die Grenze überschritten, sah es nach einem kurzen Feldzug aus. Ein Jahr später beschäftigt der Krieg in der Ukraine die Welt. Der tapfere Kampf der Ukrainer um ihr Land und ihre Freiheit ist nicht mehr auf die Ukraine beschränkt. Der Konflikt hat längst eine geopolitische Dimension. In Asien, Afrika oder Lateinamerika sortieren sich die Mächte neu. Deutschland zögert, aber es zögert nicht allein. Denn so berechtigt der Widerstand der Ukraine ist und so groß das Unrecht Russlands, so beängstigend ist auch die Gefahr, dass dieser Krieg zu einem noch größeren Krieg wird. Thomas Ihm diskutiert mit Prof. Marina Henke - Politikwissenschaftlerin, Hertie-School Berlin, General a.D. Harald Kujat - ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, Christoph von Marschall - Diplomatischer Korrespondent des Tagesspiegel, Berlin
Krieg gegen die Ukraine Das KIT hilft, die Ukraine auf den nuklearen Ernstfall vorzubereiten
Wochenlang war das Kernkraftwerk Saporischschja umkämpft – die Angst vor einer nuklearen Katastrophe war groß. Unterstützung bei der Vorbereitung für den Ernstfall erhält die Ukraine aus Karlsruhe.
Ralf Caspary im Gespräch mit Wolfgang Raskob, Stellvertretender Leiter des Instituts für Thermische Energietechnik und Sicherheit am Karlsruher Institut für Technologie
Raumfahrt Wie der Krieg gegen die Ukraine die Raumfahrt veränderte
Matthias Maurer war mit russischen Kollegen auf der ISS als der Krieg gegen die Ukraine begann. Es entstand eine Situation, die Fingerspitzengefühl erforderte. Am Ende half ihm auch seine Kreditkarte, um mit den Kosmonauten ins Gespräch zu kommen.