Der stellvertretende Direktor des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg, Stefan Seidendorf, geht von einer weiteren Spaltung Frankreichs aus. Dass Präsident Emmanuel Macron seine Rentenreform mit einem Sonderartikel der Verfassung am Parlament vorbei in Kraft setzt, nennt der Frankreichexperte einen Pyrrhussieg. Er mutmaßt im SWR Tagesgespräch: "Der Präsident wird aller Wahrscheinlichkeit nach damit durchkommen: Es gibt eine grundsätzliche Rentenreform." Das werde aber die aufgeheizte Stimmung im Land nicht befrieden, so Seidendorf: "Es bleibt weiterhin diese große gesellschaftliche und politische Spaltung mit Oppositionsparteien, die wirklich zu allem bereit sind, und mit einem Präsidenten, der nach dieser Aktion jetzt überhaupt nicht mehr auf das Parlament Rücksicht nehmen wird, sondern durchregiert."
Welches oppositionelle Lager von der Situation profitiert, ist dem Experten zufolge nicht ganz ausgemacht. Seidendorf glaubt, die Linken um Jean-Luc Mélenchon hätten es übertrieben, "mit dieser Strategie, im Parlament möglichst alles auf Klamauk und Krawall zu setzen." Die Rechten um Marine Le Pen hingegen seien untergegangen: "Sie konnte sich auf den Demos der Linken nicht blicken lassen und im Parlament ist sie auch nicht mit Änderungsanträgen oder konstruktiver Parlamentsarbeit aufgefallen." Mittelfristig könne es aber schon ihre Partei "Rassemblement National" sein, der von der Situation profitiere, so Seidendorf.