SWR2 Glauben

Ein Staat auf der Suche nach der eigenen Identität – 75 Jahre Israel

Stand
AUTOR/IN
Julio Segador
Nela Fichtner

Seine Existenz hat sich Israel hart und leidvoll erkämpft. Doch auch ein dreiviertel Jahrhundert nach seiner Gründung ringt das Land noch um ein gemeinsames Selbstverständnis.

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Soll Israel ein demokratischer jüdischer Staat sein, wie es die zionistischen Gründerväter wollten? Ein demokratischer säkularer Staat? Oder ein rein religiöser Staat, wie es die zunehmende Zahl der ultraorthodoxen Israelis fordern? 75 Jahre nach seiner Staatsgründung ist Israel eine Mischung von alledem. Das Fehlen einer klaren Orientierung steigert aber die gesellschaftlichen Probleme.

Aktuelle Probleme in Israel

Der Wohlstand kommt bei vielen Israelis nicht an. Der Konflikt mit den Palästinensern ist festgefahren. Die arabischen Israelis, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, fühlen sich als Menschen zweiter Klasse. Gleichzeitig wird die Zahl der ultraorthodoxen Jüdinnen und Juden immer größer.

picture alliancedpa | Ilia Yefimovich (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Ultraorthodoxe Juden stehen an der jüdisch-orthodoxen Pilgerstätte auf dem Berg Meron.

Dadurch wächst auch ihr Einfluss auf die Politik. Auf Druck ihrer Parteien plant die Regierung eine Justizreform, die die Gewaltenteilung untergräbt.

picture alliancedpa | Ilia Yefimovich (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Seit Monaten gehen zigtausende Menschen gegen die von der Regierung geplante Justizreform auf die Straße.

Das Fehlen einer klaren Orientierung steigert aber die gesellschaftlichen Probleme. Außerdem ist der Konflikt mit den Palästinensern festgefahren, eine Lösung scheint fern.
Für den Historiker Tom Segev befindet sich Israels Demokratie am Scheideweg.

„Das ist gefährlich für die Demokratie, sogar sehr gefährlich. Es ist so, dass es noch nie in der israelischen Knesset eine so starke rechtsradikale, rassistische Bewegung vertreten war. Für mich persönlich sehr bestürzend und beängstigend, auch beschämend eigentlich.“

Tom Segev ist nur drei Jahre älter als seine Heimat. Eine Heimat, die seit ihrer Gründung nicht zur Ruhe gekommen ist. Eine Heimat, die immer wieder herausgefordert wird. Zum 75. Geburtstag Israels hat der Historiker und Journalist daher einen Wunsch:

"Pessimistisch wie ich bin, skeptisch wie ich bin, wünsche ich mir, dass es nicht schlimmer wird. Es ist eine sehr dramatische Erfolgsgeschichte, die nicht gut genug gepflegt wird. Die Basis ist schon da. Aber ich fürchte sehr, dass die Gelegenheiten nicht ausgenutzt werden, die wir haben".

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Julio Segador
Nela Fichtner