„Weinfluencer“, Naturweine und weniger Wirbel-Verkostung. Es gibt eine junge Weintrinker-Generation, die andere Bedürfnisse hat – eine neue Weinkultur. Jung aber bedeutet keinesfalls, dass hier Weine mit Schraubverschluss für 2,99 Euro aus dem Supermarkt angesagt sind. Die Millennials und auch Teile der Generation Z sind durchaus bereit, sich ihren Konsum, guten Wein und Essen, etwas kosten zu lassen.
Weniger Geschunkel – mehr Eventcharakter
Bei großen Weinfesten wie dem Stuttgarter Weindorf stellt das die Veranstalter vor neue Anforderungen. Es geht weg vom weinseligen Stammtischgefühl, hin zu urbanen „Get-togethers“ mit Eventcharakter. Live Bühnenperformances, Tastings und Einblicke in die Herstellung der Produkte.
Und auch die Geschmäcker gehen immer weiter auseinander: Während die über 55-Jährigen weiter zu Altbewährtem greifen – Rotwein halbtrocken – oder mit Stil, Struktur und Tannin, interessiert sich die neue Generation der Weintrinkerinnen und Trinkern eher für Rosé oder Sekt.

Bewusster und nachhaltiger Konsum
Außerdem ist der Faktor Nachhaltigkeit viel wichtiger: Bio-Weine stehen hoch im Kurs. Und: Die nachwachsende Generation trinkt nicht einfach irgendwas. Man informiert sich, dank Podcasts oder über „Weinfluencer“ in Social Media zum Beispiel kann jede*r mit Weinwissen auftrumpfen.
Trocken bis lieblich – Wein-Wissen für alle
Und auch beim Essen spielt das bei Veranstaltungen eine Rolle, erzählt Jungwinzer Adrian Beurer, der eine Laube auf dem Stuttgarter Weindorf mitbetreibt. Leichtes Essen, Häppchen, Tapas: bewusstes Essen, mit Produkten, die idealerweise einen kurzen Weg bis auf den Teller hatten.
Wein muss Geschichte haben
Die Tradition muss aber gar nicht verloren gehen – die neue und viel informiertere Weintrinkergeneration kauft gerade Produkte mit Geschichte. Das fängt mit der Herstellung und der Herkunft der Trauben an, geht weiter über die Betreiber der Weingüter, die immer mehr als Identifikationsfiguren auftreten und endet bei der Gestaltung der Etiketten.
„Ich glaube, das, was man heute sein muss, ist jemand, der eine Community um sich herum aufbaut. Der eine Marke als Person ist und Marken um sich herum aufbauen kann“, sagt Thomas Diehl. Er hat vor Kurzem das Familienweingut übernommen und kümmert sich jetzt um das Marketing. Früher war es einfacher, eine Flasche Wein zu verkaufen, meint er. Heute muss man mehr ausprobieren und auf unterschiedliche Konzepte setzen, um auch die ganz Jungen unter den Weinfans abzuholen.
Weniger Alkohol: Alkoholfreier Wein als Trend
Neu ist eine junge Weinmarke, die explizit in ihrem Design und ihrer Vermarktung über Social Media junge Menschen ansprechen soll: Auf den Kanälen tauchen hier eher junge Menschen mit Tattoos und bunter Kleidung auf.
Wein als Lifestyle Produkt einer neuen Generation, die trotz Inflation mit ihrer Kaufkraft überrascht.

Und ein neuer Trend, dem sich jetzt viele anschließen: Es gibt bei ihnen jetzt alkoholfreien Wein und Sekt, der explizit die 18 bis 25-Jährigen ansprechen soll. Ein neues Geschäftsfeld, denn es wird mit Blick auf die Statistik immer weniger Alkohol in Deutschland konsumiert.
Neue Weinkultur ist auch eine Rückbesinnung
Das muss nicht heißen, dass die Kultur des Weintrinkens dadurch verloren geht. In jedem Fall ist die neue Weinkultur experimentierfreudiger, weniger elitär und obwohl die Zeit schnelllebiger geworden ist, bringt die enorme Nachfrage nach naturnahen Produkten bei vielen auch ein Rückbesinnen mit sich, sagt Jungwinzer Adrian Beurer.
„Obwohl alles viel vernetzter ist, viel kommunikativer, arbeiten wir in der Produktion zum Teil viel mehr wie vor 50 Jahren: keine systemischen Spritzmittel, viel weniger Technik im Keller. Im Endeffekt entwickelt sich die Vermarktungsseite extrem weiter und die Vinifizierung – also die Weinherstellung – wieder zurück. Back to the roots sozusagen!“