Das rheinland-pfälzische Innenministerium gerät wegen der Ahrtal-Katastrophe weiter unter Druck. Nun muss sich Innenminister Roger Lewentz vor dem Landtag zu seiner Verantwortung während der verheerenden Flutnacht äußern. Zu Recht, kommentiert SWR-Redakteur Matthias Zahn, denn Lewentz sei unglaubwürdig, zynisch und mehr an Machterhalt als an Aufklärung interessiert.
Warum hat Lewentz den Bericht nicht weitergeleitet?
Den angeschlagenen Innenminister heute vor den Landtag zu zitieren, ist ein kluger Schachzug der Opposition. Denn Roger Lewentz ist in höchster Erklärungsnot.
Warum hat sein Innenministerium den Einsatzbericht der Hubschrauberstaffel aus der Flutnacht nicht rechtzeitig dem Untersuchungsausschuss weitergeleitet? Der schriftliche Bericht bestätigt, was die Piloten auch schon mündlich dem Lagezentrum im Innenministerium durchgegeben hatten. Es war eine Katastrophe. Ein dramatisches Hochwasser.
Das Innenministerium wusste von der Katastrophe
Viele Menschen waren in Lebensgefahr. Das Innenministerium wusste das. Und damit waren auch Lewentz nicht nur bedrückende Einzelereignisse bekannt, wie er immer wieder glauben machen will.
Ausmaß der Flut schon am Abend sichtbar Polizei-Videos aus der Flutnacht im Ahrtal erstmals veröffentlicht
Videos eines Polizeihubschraubers von der Flutnacht zeigen das Ausmaß des Hochwassers im Ahrtal erschreckend deutlich. Das Innenministerium hat die Aufnahmen erstmals Medienvertretern vorgeführt und anschließend veröffentlicht.
Dass das Innenministerium den Bericht nicht an den U-Ausschuss herausgegeben hat, nährt den Verdacht, dass vertuscht werden sollte, anstatt aufzuklären. Welche mysteriöse Erklärung der Innenminister wohl dieses Mal liefern wird? Der Vertuschungsvorwurf rückt immer näher an den Minister heran.
Lewentz wirkt unglaubwürdig und zynisch
Roger Lewentz bietet der Opposition noch eine zweite offene Flanke. Er wirkt unglaubwürdig und zynisch, wenn er auf den Videos des Polizeihubschraubers keine Katastrophe erkennen will, weil dort keine Toten zu erkennen seien und keine eingestürzten Häuser.
Auch eine weitere Aussage lässt Lewentz schlecht aussehen: Er sehe auf den Videos ein starkes Hochwasser, wie er es erwartet habe. Wenn er diese Dramatik erwartet hat, warum hat er nichts vorab unternommen?
Die Politik hätte es besser wissen müssen
Rheinland-Pfalz ist hochwassererfahren, hebt auch die Ministerpräsidentin gerne hervor. Ja, aber vor allem an großen Flüssen. Dass das enge Ahrtal bei Rekordregen volllaufen kann wie eine Badewanne, hätte die Politik wissen können.
Das überschwängliche Lob auf den Rotwein von der Ahr, auf das wunderschöne enge Tal mit seinen Steillagen, gehörte in der Vergangenheit häufig zu Politikerreden auf weinseligen Empfängen. Als der große Regen kam, war jedes Wissen über das Ahrtal verloren.
Lewentz setzt Machterhalt vor Aufklärung
Der heftige Dauerregen war vorhergesagt. Die Landesregierung hätte sich frühzeitig mit dem Kreis um den bestmöglichen Schutz für die Menschen kümmern können. Doch der Kreis wurde allein gelassen.
Und als es drauf ankam, in der Flutnacht, war der Innenminister ein Totalausfall. Beim Kampf ums politische Überleben versucht es Lewentz nun mit Salamitaktik. Allzu durchsichtig setzt er Machterhalt vor Aufklärung.
Niemand ist bereit, Verantwortung zu übernehmen
Niemand in der Landesregierung will Verantwortung übernehmen angesichts der größten Katastrophe in der Landesgeschichte. Die politisch Verantwortlichen weichen aus.
Ob der Innenminister zurücktreten wird? Dazu kein Ja oder Nein von Lewentz. Ob sich die Ministerpräsidentin entschuldigen wird, dazu kein Ja oder Nein von Dreyer.
Wenn eine Regierung nicht mehr in der Lage ist, auf klare Fragen klare Antworten zu geben ist das verräterisch. Haben die politisch Verantwortlichen erst ihre Sprache verloren, werden als nächstes die Menschen das Vertrauen in sie verlieren.
Neue Erkenntnisse dank Flut-Videos
Nach anhaltender Kritik Noch vor der Landtagsdebatte zur Flutkatastrophe Rücktritt von Lewentz
Die Opposition wollte am Mittwochnachmittag Antworten von Roger Lewentz (SPD) zur Flutkatastrophe bekommen. Nach seinem Rücktritt verzichten CDU und Freie Wähler auf die Sondersitzung.
Ahr-Flut-Videos: Warum gab es keine Alarm-Kette zu Innenminister Lewentz?
Diese Videos haben für Erschütterung gesorgt: Lichtsignale auf Balkonen, unter denen die Fluten der Ahr die Häuser umspülen; ein Auto, das mit Licht durchs Wasser treibt. Es sind Videos der Flut-Nacht im Juli 2021 aus dem Ahrtal. Diese Videos haben es allerdings rund anderthalb Jahre nicht zum rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz (SPD) geschafft. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat sich hinter ihren Parteifreund gestellt. Heute aber beschäftigt sich auf Initiative der Fraktion der Freien Wähler nochmals der Rechtsausschuss im Mainzer Landtag mit der Sache und welche Fragen dabei im Mittelpunkt stehen, klärt SWR Aktuell-Moderator Stefan Eich mit dem Fraktionsgeschäftsführer Christian Altmaier.
Aufarbeitung der Flutkatastrophe Polizei hat die Flutvideos zu spät weitergegeben
Die rheinland-pfälzische Polizei hat eingeräumt, die Hubschrauber-Videos aus der Flutnacht im Ahrtal zu spät dem Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe übermittelt zu haben. Was bedeutet das für Innenminister Roger Lewentz (SPD)?
Das Ahrtal nach der Katastrophe
SWR2 Geld, Markt, Meinung Ein Jahr nach der Flutkatastrophe – was haben wir gelernt?
"Ein Jahr nach der Flutkatstrophe im Ahrtal beginnt so langsam der Wiederaufbau - aber ist es sinnvoll, dort wieder zu bauen?
Gespräch Podcast „Die Flut – Warum musste Johanna sterben?“ über die verheerende Katastrophe im Ahrtal
Mit der neuen, 6-teiligen Podcast-Serie „Die Flut – Warum musste Johanna sterben?“ startet der SWR in Zusammenarbeit mit dem WDR die audiophone Aufarbeitung der verheerenden Flutnacht im Juli 2021. Podcasthost Marius Reichert ist selbst Bewohner des betroffenen Ahrtals und kennt die Familie der in der Flut verstorbenen Johanna persönlich. „Wir brauchen diese Geschichte auch, um eben dieses ganze Leid, diese ganzes Schicksal auch zu personifizieren.“ Johannas Schicksal steht somit für die der vielen anderen Flutopfer.
Dafür hat Reichert lange mit Johannas Eltern und Freunden gesprochen, mit Rettungskräften in NRW und Rheinland-Pfalz, mit Wetter- und Klimaexpert:innen, mit Politiker:innen und politischen Beobachter:innen. Immer auf der Suche nach Antworten auf die Fragen: Wie konnte es so weit kommen? Wurde rechtzeitig gewarnt? Was haben wir aus der Flut gelernt? Und letztlich: Warum musste Johanna sterben?
Extremwetter Hochwasserschutz im Ahrtal: Das raten Fachleute
Wie sieht ein hochwasser-sicherer Wiederaufbau im Ahrtal nach der Flutkatastrophe aus? Damit befasst sich das Forschungsprojekt KAHR. Auf einer Fachkonferenz wurden jetzt Empfehlungen vorgestellt. Auch für Regionen über das Ahrtal hinaus.
Jochen Steiner im Gespräch mit Prof. Jörn Birkmann, Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung an der Universität Stuttgart.