14. Oktober 1970: Lenelotte von Bothmer tritt im Hosenanzug ans Rednerpult des Bundestages. Interpretiert wurde das offenbar von der männlichen Hälfte der damaligen Welt als „Selbstermächtigung“, als Griff nach der Macht. Worüber die SPD -Bildungsexpertin von Bothmer an jenem Tag sprach, das ist nicht überliefert. Was ihr Blazer und die dazu passende Hose auslösten, hingegen schon.
„Das verletzt die Würde des Hohen Hauses!“
35 Jahre später steht eine Politikerin wieder im Bundestag am Rednerpult. Arbeitskluft: Hose und bunter Blazer. Das war 16 Jahre lang der Hosenanzug à la Angela Merkel. An diesem Dresscode nahm niemand mehr Anstoß. Die Politikerin war Bundeskanzlerin, auch das war mittlerweile völlig normal.
Politikerinnen in ihrer Arbeitskleidung:

Es war einst ein emanzipatorischer Schritt, sogar ein feministischer Kampf, den Hosenanzug als selbstverständliches weibliches Kleidungsstück durchzusetzen. Frauen wurden mächtig, so scheint es im Rückblick zumindest, in dem sie Männer, bis in den Dresscode hinein, imitierten. Emanzipation im Hosenanzug.
Wenn Ministerinnen mittlerweile in beschwingten Kleidern zu internationalen Gipfeltreffen fliegen, dann sind wir möglicherweise auf einer neuen Entwicklungsstufe gelandet: Emanzipation vom Hosenanzug.