Was heißt es, ein Opfer zu sein und als solches öffentlich aufzutreten?
Wenn ein Missbrauchs-Skandal ans Licht kommt, ist der Schock groß, und die Fragen immer dieselben: Wie konnte die Gewalt so lange fortbestehen, warum haben die Opfer nichts gesagt? Im Falle von #metoo konnten viele nicht glauben, dass selbst prominente Frauen es so lange nicht geschafft hatten, über das Unrecht zu sprechen, das ihnen widerfahren ist.
„Was macht es so schwer, über Sexismus, Missbrauch und Nötigung zu sprechen“
Frauen haben jedes Recht, erst später über all das zu sprechen
Wenn man Missbrauschs-Erzählungen hört, versteht man besser, warum so wenige Opfer sexualisierter Gewalt über ihre Erfahrungen sprechen wollen. Manche fragen sich sogar, ob sie sich das selbst nicht alles nur eingebildet haben. Ob sie eventuell verrückt geworden sind.
Einige schaffen es, die Erniedrigung der Vorfälle erfolgreich beiseite zu schieben. Nicht alle sind lange traumatisiert, nicht alle sind überhaupt traumatisiert. Für viele stellt es eine Überlebensstrategie dar, erst einmal nicht darüber zu reden, sondern einfach weiter zu machen mit ihrem ganz normalen Leben. Viele geben sich Mühe, zu verdrängen, weil sie die Gefühle der Beschämung, Erniedrigung und Demütigung nicht noch einmal durchleben wollen. Manche schaffen das sehr lange. Auch das kostet Kraft.
„Warum wird Opfern erst dann geglaubt, wenn sie im Kollektiv auftreten?“
Strukturen, die Gewalt entstehen lassen, durchziehen unseren Alltag
In der öffentlichen Diskussion um sexuelle Belästigung kommen Geschlechterbilder, Macht und Sexualität zusammen. Und doch tauchen immer wieder Leute auf, denen angesichts vielfachen Leids nichts Besseres einfällt, als Büroflirts und Komplimente verteidigen zu wollen. Sie sprechen von „neuer Prüderie“ und einer „Hexenjagd“ auf Männer, die jetzt in ständiger Angst leben müssten. Das stimmt natürlich nicht. Nur die Täter müssen in Angst leben. Denn wenn Frauen, die Übergriffe erlebt haben, sich zusammenschlössen, dann sind sie zusammen das größte Rudel der Welt!
„In dem Moment, in dem sich die Frauen nicht mehr zum Schweigen bringen lassen, hört die Macht der Männer auf. Denn wenn Frauen, die Übergriffe erlebt haben, sich zusammenschlössen, dann wären sie das 'größte Rudel der Welt'.“
Sexualisierte Gewalt
Früher hat man fast nur von „sexueller Gewalt“ gesprochen, und viele Leute tun das auch heute noch. Das Problem beginnt damit, dass dieser Begriff ähnlich klingt wie andere Dinge, die nicht mit Gewalt, sondern mit Sex zu tun haben: „Sexuelle Anziehung“, „sexuelle Erregung“, „sexuelle Orientierung“ und so weiter. Wenn man dann den Begriff „sexuelle Gewalt“ hört, könnte man denken, dass er ebenfalls eine irgendwie „sexuelle“ Situation beschreibt. Tut er aber nicht – jedenfalls nicht für das Opfer. Für das Opfer ist es Gewalt. Reine Gewalt.
Eine Form des Machtmissbrauchs
Belästigung, Nötigung oder Vergewaltigung passieren nie außerhalb einer Hierarchie. Es ist nicht die Putzfrau, die dem Vorstandsvorsitzenden im offenen Kittel mit nichts drunter Avancen macht. Es ist nicht der Praktikant, der den Hintern seines Chefs betätschelt. Der Begriff „sexualisierte Gewalt“ soll verdeutlichen, dass es nicht in erster Linie um Sexuelles, sondern um Machtmissbrauch geht. Der könnte so oder anders geschehen – in diesem Fall aber spielt er sich im Bereich der Sexualität ab.
Wer muss sich hier zusammenreißen?
Es gibt Menschen, die denken: „Ach, mal eine Hand auf dem Hintern, das hält man als Frau schon aus, soll sie sich mal zusammen reißen, das hat noch keiner geschadet...“ Wenn dein Kollege dich unangemessen berührt, bist nicht du diejenige die sich zusammenreißen muss – er hätte sich vorher zusammenreißen müssen.
(Produktion 2018)