Mit passivem Einkommen zur finanziellen Freiheit?

Viel Geld für wenig Arbeit

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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel

SWR2 Wissen. Von Gabi Schlag und Benno Wenz

Kein Frühaufstehen, kein "Nine-to-five" - das Geld für sich arbeiten lassen, davon träumen viele. Lifestyle-Unternehmer und digitale Nomaden machen vor, wie es geht. Doch was funktioniert wirklich?

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Passives Einkommen

Das Ziel: Ein Unternehmen aufbauen, bei dem man eine Arbeit nur einmal erledigt, aber mehrmals dafür bezahlt wird - durch passives Einkommen. Glaubt man den Propheten und Missionaren des Passiven Einkommens im Internet, klingt das alles spielerisch einfach und leicht. Zu ihnen gehört der US-Amerikaner Tim Ferris. Sein Buch "Die Vierstundenwoche - mehr Zeit, mehr Geld, mehr Leben" wurde zum Weltbestseller. Inzwischen haben etliche Bücher die „finanzielle Freiheit“ im Titel, zehntausende Seiten im Internet versprechen: „Raus aus dem Hamsterrad…“, „Finanzielle Freiheit durch passives Einkommen.“ „Finanziell frei mit 30“.

Verschiedene Methoden können passives Einkommen erzeugen:

  • Beim Affiliate Marketing wird man zum zum Vertriebspartner von Produktanbietern und erhält Provisionen.
  • Oder man schreibt ein E-Book.
  • Das dritte Beispiel nennt sich "Dropshipping": Hier zieht man einen Online-Handel von Waren eines Großhändlers auf.
  • Digitale Infoprodukte wie z.B. E-Learning oder Onlinekurse.
  • Crowd-Investment, Finanzierung von Projekten mit Rendite.
  • Einkünfte durch Immobilien oder Aktien.

Voraussetzungen für passives Einkommen

Es gibt zwei wichtige Faktoren, wenn ein Unternehmen passives Einkommen generieren soll:

  • Es muss im laufenden Betrieb möglichst keine Arbeit verursachen - es arbeitet eben "passiv".
  • Es muss wachsen können, ohne dass der Aufwand, den der Betrieb erfordert, mitwachsen muss.

Skalierbarkeit

Diese Eigenschaft eines Unternehmens, möglichst ohne Reibungsverluste wachsen zu können, nennt man Skalierbarkeit. Internetgeschäfte sind ein typisches Beispiel - wo die Produkte aus Informationen bestehen, die nicht immer wieder erneut hergestellt werden müssen. Dies ist eine Neuerung, die die Digitalisierung mit sich gebracht hat.

Mit Arbeitsteilung und Digitalisierung werden die Chancen neu verteilt, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Günter Faltin. Er lehrte Unternehmensgründung an der FU Berlin, bevor er Leiter der Stiftung Entrepreneurship in Berlin wurde. Passives Einkommen, ist eine Chance. Anders als früher. Das kann man machen. Aber ich brauche dazu ein Konzept. Ich brauche dazu eine Idee. Ich muss diese neue Technologie - Internet, Digitalisierung - auch einigermaßen beherrschen.

Günter Faltin (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / Reportdienste - Foto: Thilo Rückeis)
Günter Faltin ist Wirtschaftswissenschaftler, lehrte Unternehmensgründung an der FU Berlin, bevor er Leiter der Stiftung Entrepreneurship in Berlin wurde.

So viele Methoden, so wenig Reiche

Grundsätzlich ist passives Einkommen zunächst nicht mehr als ein Geldzufluss, für den man nicht direkt und unmittelbar Arbeit leisten muss. Die allereinfachste Art, ein passives Einkommen zu erhalten wäre die, einen entsprechend hohen Geldbetrag auf der Bank anzulegen. Die monatlichen Zinsen daraus sind dann ein passives Einkommen. Das Problem dabei ist: Auf der Bank gibt es kaum noch Zinsen, und Geld anlegen kann nur jemand, der bereits über Geld verfügt.

Es muss also viele, vor allem junge Leute geben, die heute ganz andere Vorstellungen vom Arbeitsleben haben. Karriere machen, sicherer Job, gute Rente – daran glauben offenbar nicht mehr viele. Doch einfach ist der andere Weg mit dem passivem Einkommen in der Praxis nicht, sagt Jungunternehmer Dominik Fest:

Passives Einkommen ist nicht so leicht, wie es gerne beschrieben wird. Es kann auch einfach mal total in die Hose gehen. Dass du Monate daran sitzt, arbeitest, arbeitest, arbeitest, und das Einkommen ist dann halt: Null.

"Ein Unternehmen ist wie ein Kind"

Und wirklich passiv ist das Einkommen in den seltensten Fällen. Gerade in der Gründungsphase muss man oft sehr viel Zeit in ein Projekt stecken. Und man muss sich auch danach regelmäßig darum kümmern, sagt Günter Faltin:

Im Normalfall, wenn ich ein eigenes Unternehmen gründe, muss ich dabei bleiben, nicht acht oder zwölf Stunden am Tag, aber es ist wie mit einem Ideen-Kind, ein Unternehmen ist ja auch so eine Art Kind, und wie bei einem echten Kind bin ich eigentlich 24 Stunden dabei, nicht die ganze Zeit, aber ich habe es irgendwo auf dem Radar. Ich setze ein Kind in die Welt und begleite das, ich muss mich schon drum kümmern.

Immerhin überleben am Ende nur 10 Prozent aller Gründungen. Und auch dann, wenn die Geschäftsidee schon in der Gründungsphase ist, muss man immer wieder überprüfen, wie tragfähig die Geschäftsidee wirklich ist. Ist das Unternehmen wirklich beliebig skalierbar? Oder werden die wachsenden Produktionskosten und die wachsende Arbeit das Unternehmen auffressen?

Was ist Entrepreneurship?

Faltin mag den Begriff "Entrepreneurship". "Entrepreneur" bedeutet zunächst im engen Wortsinn Unternehmer, im weiteren Sinn jedoch einen Charakter, der andere begeistert und sich vor allem für Innovationen interessiert. Mit seinem eigenen Projekt "Teekampagne" hat Günter Faltin bereits in den 80er Jahren exemplarisch vorgeführt, wie ohne großes Startkapital, ohne Mitarbeiter, ohne eigene Transportlogistik, ohne eigene Lagerhallen ein überaus profitables Unternehmen aufziehen kann, das obendrein auch noch "Fair Trade" ist.

Inzwischen ist er mit der Teekampagne zum weltweit größten Importeur von Darjeeling Tee geworden und bringt Menschen bei, erfolgreich Geschäftsideen zu konzipieren und sie dann in die Tat umzusetzen.

Finanzielle Freiheit: Das Geheimnis des Erfolgs

Es gibt es also, das passive Einkommen, und man kann sogar finanziell frei damit werden, aber vielleicht weniger durch die Teilnahme an Onlinekongressen, oder durch das Lesen von E-books, sondern eher durch das, wodurch es schon immer möglich war: originelle Geschäftsideen und viel Arbeit an der Idee. Das ist für viele Gründer genau das, was Spaß macht.

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