Nachdem Jan Böhmermann am 7. Oktober im ZDF Magazin Royale die Verbindungen des BSI-Chefs Arne Schönbohm zu einem obskurer „Cybersicherheits-Rat“ mit mutmaßlich Kontakten zu russischen Geheimdiensten aufgedeckt hat, ist die Empörung vor allem in den sozialen Netzwerken groß. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will nach Medienberichten den Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), abberufen.
Verbindungen zu russischem Geheimdienst FSB
Jan Böhmermann wies in seiner Sendung auf eine Lücke in der deutschen Cybersicherheit hin und erhob Vorwürfe gegen Arne Schönbohm, den Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Dieser hatte 2012 den „Cybersicherheitsrat Deutschland e.V.“ gegründet. Mitglieder sind neben zahlreichen großen Unternehmen wie Bayer oder EnBW auch eine Firma namens Protelion, die Sicherheitssoftware verkauft. Protelion ist laut Böhmermann aus dem russischen Unternehmen Infotecs hervorgegangen, das mit dem russischen Geheimdienst FSB zusammenarbeitet.
Konstantin von Notz: Skandalöse Vorgänge und Zusammenhänge
Zu den Enthüllungen gibt es unter dem Hashtag #cyberclown zahlreiche Reaktionen auf Twitter: Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz schreibt: „Es sind skandalöse Vorgänge und Zusammenhänge, die das @zdfmagazin hier offenlegt, und die sofort und umfassend untersucht und aufgeklärt werden müssen.“
Digitalausschuss des Bundestags beschäftigt sich mit dem Fall
Die Publizistin und linke Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg meint: „Was Jan Böhmermann an Verbindungen zwischen russischen Nachrichtendiensten, einem dubiosen Cybersicherheits-Verein, seinen Mitgliedern sowie dem #BSI öffentlich machte, ist unfassbar. Ich habe deshalb beantragt, dass sich der kommende #Digitalausschuss am Mittwoch damit befaßt.“
Pressekonferenz von Innenministerin Nancy Faeser und Arne Schönbohm abgesagt
Wie das Handelsblatt berichtet, prüft das Bundesinnenministerium bereits eine Abberufung von Arne Schönbohm. Eine für Donnerstag geplante, gemeinsame Pressekonferenz von Innenministerin Nancy Faeser und Schönbohm zur Vorstellung des „BSI-Lageberichts Deutschland 2022“ wurde inzwischen abgesagt. Dass ausgerechnet einen Tag nach Böhmermanns Enthüllungen über die möglichen Verstrickungen deutscher Cybersicherheits-Institutionen mit russischen Geheimdiensten die Deutsche Bahn einem Sabotage-Akt zum Opfer fällt, halten viele auf Twitter für einen schlechten Witz.
ZDF Magazin Royale vom 7. Oktober 2022:
Experte kritisiert Faeser-Pläne zur Cybersicherheit: ein buntes Potpourri an Maßnahmen
Die Erfahrung aus Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg hat gezeigt: die Cybersicherheit muss verbessert werden. Bundesinnenministerin Faeser hat deshalb für ihre Behörde ein neues Konzept vorgestellt – nicht alle sind begeistert.
Faesers Plan sieht demnach vor, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu einer Zentralstelle zu machen. Dafür müsste allerdings das Grundgesetz geändert werden, denn aktuell liegt die Verantwortung für Cybersicherheit, noch bei den Ländern, das BSI kann nur Amtshilfe leisten. Grundsätzlich sei das keine schlechte Idee, findet der Cybersicherheits-Experte Dennis-Kenji Kipker im Gespräch mit SWR Aktuell Moderatorin Jenny Beyen. Und dennoch sieht der Professor für IT-Sicherheits-Recht an der Hochschule Bremen einiges grundsätzlich kritisch.
Das größte Problem sei die fehlende Unabhängigkeit des BSI, ist Kipker überzeugt. Denn dass die Behörde dem Innenministerium unterstellt sei, berge die Gefahr von Interessenkonflikten: Während sich das BSI für Datensicherheit einsetzte, würden andere dem Innenministerium unterstellte Behörden gezielt nach Sicherheitslücken suchen, zum Beispiel der Bundesnachrichtendienst. Diese beiden sich widersprechenden Zielvorstellungen würden zu einem berechtigen Misstrauen von Unternehmen führen, die sich dann auf das BSI als der künftigen Cybersicherheitsbehörde verlassen müssten.
"Was man sieht, ist ein buntes Potpourri an Maßnahmen, die irgendwie mit Digitalisierung zu tun haben: die Rede ist vom BSI, von Cybersecurity, von kritischen Infrastrukturen, dann haben wir Hasskriminalität, sexualisierte Gewalt im Netz – also man hat da versucht eine ganze Menge von Punkten in einen Topf zu packen und auf den kleinsten politischen Nenner zu bringen.“
Für Kipker ist deshalb klar, dass das Innenministerium nicht die federführende Behörde sein könne. Stattdessen müsse das Thema Cybersicherheit breiter aufgestellt werden, am besten mit einer eigenständige Behörde. Dann mache eine Zentralisierung der Kompetenzen durchaus Sinn, so Kipker.
Kulturmedienschau Die Polizei ist nicht im Internet: Jan Böhmermann entlarvt mangelnde Polizeiarbeit gegen Hasskriminalität | 30.5.2022
Morddrohungen, Beleidigungen, antisemitische und rassistische Hetze: Man muss im Internet nicht lange suchen, um auf Kommentare zu stoßen, die nicht nur verletzend und bedrohlich sind, sondern auch strafrechtlich relevant. Das Internet in Deutschland ist kein rechtsfreier Raum, seit vielen Jahren wiederholen deutschen Spitzenpolitiker:innen diesen Satz mantra-artig. Aber was passiert, wenn man Hass-Kommentare bei der Polizei anzeigt? Werden die Straftaten verfolgt? Das wollte das ZDF-Magazin Royale wissen und hat im Sommer letzten Jahres ein Experiment gestartet – mit gemischten Ergebnissen.