Hate Speech floriert auch unter Klarnamen
Wissenschaft sei uneindeutig, sagt Michael Seemann, inwiefern Anonymisierung oder Pseudonymisierung dazu beitrügen Hass einzuschränken oder zu fördern. Gerade Facebook sei ein Beispiel dafür, dass Klarnamen nicht wirklich hundertprozentig effektiv seien als Schutz gegen Hass im Netz: „Wir sehen auf Facebook ständig die schlimmsten Auswüchse — Rassismus, Sexismus, Fake News, meistens unter Klarnamen.“
Seemann ist deshalb überzeugt: „Facebook ist das beste Beispiel, dass die Klarnamen-Pflicht zumindest keine wirksame Unterbindung diese ungewollten Erscheinungen ist!“ Eine Studie der Uni Zürich etwa hat ergeben, dass Fake News mit Klarnamen sogar überzeugender wirken könnten, weil sie suggerieren, dass die Nutzer*innen ein höheres Risiko mit ihrem Post eingehen — weil sie identifizierbar sind.
Anonymität als Schutz vor politischer Verfolgung
Man müsse, so Seemann, das ganze vor dem Hintergrund sehen, dass man sich als Nutzer bei Begehen einer Straftat wie Beleidigung oder Volksverhetzung im Netz haftbar mache. Wenn die Nutzer nun anonym seien und nicht identifizierbar, könne unter Umständen das Netzwerk, das die Straftat ermöglicht hat, zur Verantwortung gezogen werden — in diesem Falle Facebook.
Der Medienexperte sieht als eine Kompromiss-Möglichkeit, dass Facebook Klarnamen zu den Accounts hinterlegen könnte, die Leute somit auf der Plattform zwar anonym auftreten könnten — im Falle eines Ermittlungsverfahrens aber auf die Daten zugegriffen werden könne. Dies wiederum sei natürlich problematisch bei Menschen, die aufgrund von politischer Verfolgung auf anonyme Konten angewiesen seien.
Pseudonyme auf Accounts, die älter als Mai 2018 sind, dürfen bleiben
Laut Urteil des BGH vom 27.1.2022 sind Pseudonyme und Fantasienamen weiterhin auf Facebook erlaubt — sofern sie zu Konten gehören, die vor Mai 2018 und Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung erstellt wurden. Eine Pflicht zur Verwendung des sogenannten Klarnamens sei für diese Konten unwirksam, so das Urteil des BGH. Für neue Verträge, die Nutzer*innen mit Facebook ab Mai 2018 abgeschlossen haben, ist die Rechtslage noch umstritten.