Was Paare zusammenhält

Wenig Sex & Romantik, Mann über1.90m

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Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)
Andreas Fauth

Rezepte für eine erfüllte Partnerschaft füllen mittlerweile ganze Bücherregale. Dennoch wird jede zweite Ehe geschieden. Der Medizinjournalist Werner Bartens hat jetzt ein Buch über Liebe und Beziehungen veröffentlicht. SWR2 Impuls sprach mit dem Autor darüber, warum große Männer längere Beziehungen haben und Sex überschätzt wird.

Jetzt sind die Regalkilometer zum Thema Liebe weitere zwei Zentimeter länger mit Ihrem Buch. Warum NOCH ein Buch über Partnerschaften?

Dieses Harmoniegesäusel hat mich ein wenig genervt. Bei einer Tagung ging es um frühkindliche Bindungen. Und darum, was diese später aus uns Menschen so machen, wenn wir als Erwachsene Bindungen haben. Weil diese Bindungsforscher sind zu recht irritierenden Ergebnissen gekommen. Und dann habe ich einfach mal genauer schauen wollen, was die Wissenschaft eigentlich hergibt, die Verhaltensforschung, die Psychologie, die Biologie. Was führt dazu, dass Paare lange zusammen bleiben? Es geht nicht unbedingt um glückliche und erfüllte Beziehungen. Denn kurz gefasst ist das Ergebnis, dass eine Beziehung lange hält, wenn einer der Partner zumindest unsicher, zweifelnd, ambivalent ist. Wenn man sozusagen das chronische tägliche Unglück pflegt, sich über die Macken des anderen ärgert, die sprichwörtlich falsch ausgedrückte Zahnpastatube, oder die liegengelassenen Socken. Wenn man wenig Sex hat und der letzte Punkt - das sage ich besonders gerne , weil ich 1,98 groß bin - wenn die Männer über 1,90m groß sind.

"Wenig Sex, konstantes Unglück und Resignation." – Das kann ich doch auch alleine haben…

Nein, weil irgendwie scheinen die Menschen ja doch darauf ausgelegt zu sein, dass sie sich in Partnerschaft wohler fühlen. Man weiß zum Beispiel auch schon lange, dass Ehepaare oder überhaupt Paare, dass die länger leben als Singles. Dass sozusagen Partnerschaft einander guttut. Und wenn man dann die vielen mittelmäßigen Paare anguckt, die sich einander offensichtlich nicht besonders gut zu tun scheinen und trotzdem länger leben, dann ist das ja schon recht bemerkenswert. Denn viele Paare hängen ja nur zusammen, wie zwei ineinander verbissene Hunde.

Inwiefern beeinflusst die Größe der Männer die Beziehung?

Hochgradiger kann man als Wissenschaftler nicht publizieren. Das ist in einem "Nature"-Artikel erschienen, das gilt sozusagen als die Bibel der Fachzeitschriften. Viele Forscher träumen nur davon, da einmal in ihrem Leben einen Artikel unterzubringen. Dieser Artikel, der vor wenigen Jahren in "Nature" erschienen ist, hat gezeigt, dass Männer über 1,90 Meter Körpergröße generell einige Vorteile haben gegenüber ihren vertikal benachteiligen Kollegen: sie verdienen im Mittel mehr, sie gelten vor allem als attraktiver und begehrter beim weiblichen Geschlecht. Weil sie das wissen, dass sie insgesamt mehr Auswahl bei den Frauen haben, sind sie insgesamt viel gelassener in Beziehungen. Sie wissen, übertrieben gesagt, ich kann mir ja viele aussuchen, wenn es mit dieser Beziehung nicht klappen sollte. Das ist kein bewusstes Wissen, was sie haben, sondern das haben die sozusagen im Hinterkopf gespeichert. Deswegen gehen sie in ihrer Beziehung viel gelassener mit der Frau oder Freundin um, und sind auch weniger eifersüchtig. Und das ist der entscheidende Punkt. Und dass sie nicht so eifersüchtig sind wie die kürzer geratenen, das führt dazu, dass die Beziehungen länger halten.
Und interessanteweise gibt es auch eine ideale Beziehungsgröße für Frauen, die liegt nämlich zwischen 1,68 und 1,76 m. In dieser Größenspanne sind Frauen am entspanntesten, am wenigsten eifersüchtig, weil sie wiederum wissen, dass sie da sozusagen zu den Begehrtesten gehören mit dieser Größe.

Ich werde Sie jetzt mit Paarmythen konfrontieren, Mythos 1 lautet: Beziehungen halten lange, wenn die Paare sehr unterschiedlich sind und sich ergänzen, stimmt das?
Ja, das ist richtig. Der Mythos "Gleich und Gleich gesellt sich gern" ist eher falsch, je unterschiedlicher desto besser. Es muss zwar nicht der Tankwart sein, der sich mit der Juristin zusammentut, die Unterschiede dürfen nicht zu groß sein, aber man sollte eben nicht die gleichen Interessen und Hobbys haben, die gleichen Freunde und Bekannten. Der Unterschied ist auch biologisch bedeutsam: Je unterschiedlicher das genetische Material von zwei Menschen ist, desto besser können sie sich riechen. Man riecht tatsächlich fremde Menschen gern, wenn sie ein anderes Immunsystem haben. Das ist evolutionsbiologisch wichtig: Je mehr sich das genetische Material von Mann und Frau unterscheidet, desto robuster werden die Nachkommen dieses Paares in Bezug auf Keime und Viren sein.
Mythos Nummer 2: Für eine langfristige Beziehung ist ein ausgefülltes Sexleben wichtig.

Das ist eine Illusion, die wurde ausführlich untersucht. Es ist so, dass Paare, die lange zusammen sind, verhältnismäßig wenig Sex haben. Das einzusehen ist schwierig für viele Paare: Wenn die erste Leidenschaft vorbei ist - nach vier Jahren werden alle biologischen Leidenschafts-und Glückshormone wie Dopamin heruntergefahren - dann muss man es schaffen, eine Beziehung auf Freundschaft und Vertrauen zu gründen. Das kriegen wenige hin, aber das ist ganz wichtig.
Mythos 3, Paare sind lange zusammen, wenn sie sich Freiräume lassen?
Ja, wichtig, richtig, man sollte nicht eng zusammenhocken, man muss nicht immer alles miteinander teilen. Klar, dadurch verbringt man weniger Zeit miteinander, aber das ist ja auch gut, dann bestehen weniger Möglichkeiten sich zu streiten und zu trennen.

Das ist alles desillusionierend, wir wollen doch alle irgendwie an romantischen Idealen der Liebe festhalten?

Liebespaar im Schatten vor Sonnenuntergang (Foto: SWR, SWR -)
Ewige Liebe - überhöhtes Ideal?

Das ist genau das Problem, wir haben ein romantisch überhöhtes Liebesideal, das unsere Großväter und Großmütter gar nicht hatten. Und ich finde meine Thesen gar nicht ernüchternd, sondern diese Thesen entlasten viele Paare, die dann sehen: wir müssen diesem romantischen Ideal gar nicht nacheifern, sondern sie erkennen, Beziehungen sind dauerhaft, wenn man sich im kleinen Unglück des Alltags eingelebt hat, wenn man an seinem Partner herumnörgelt, wenn man unzufrieden mit ihm ist. Das sind zwar negative Gefühle, aber es sind ja Gefühle für den anderen und die binden die Partner aneinander.

Christoph König Sprach mit Werner Bartens über sein neues Buch "Was Paare zusammenhält. Warum man sich riechen können muss und Sex überschätzt wird" (Knaur-Verlag).