Die Nürnberger Rassegesetze

Perfide Regeln

Stand

Ab 1935 wird der Alltag für so genannte "Mischlinge" oder Paare, die in "Mischehe" leben, massiv beeinträchtigt.

Stolpersteine Mischehe (Foto: SWR, SWR -)

"Mischehe"

Mit der Einführung der Zivilehe im 19. Jahrhundert konnten Juden auch nichtjüdische Partner heiraten. Anfang der 1930er Jahre lebten ca. 35 000 Juden (d.h. hier: Mitglieder jüdischer Gemeinden) in "Mischehen" im Deutschen Reich, davon die Mehrzahl Paare mit jüdischen Ehemännern. Bis 1938 trafen die antijüdischen Maßnahmen diese genauso wie andere Juden. Im Dezember 1938 schuf Hitler die Kategorien der "privilegierten" und "nichtprivilegierten Mischehe", die nie gesetzlich fixiert wurde.

Als "privilegiert" galten nur Paare bei denen die Frau jüdisch (jetzt nicht mehr nach Mitgliedschaft in einer jüdischen Gemeinde, sondern im "rassischen" Sinne des NS- Regimes) und der Mann nichtjüdisch war, wenn sie keine oder nichtjüdisch erzogene Kinder hatten und Paare, bei denen der Mann jüdisch und die Frau nichtjüdisch war, wenn sie nichtjüdisch erzogene Kinder hatten.

Familien in diesen Konstellationen durften in der bisherigen Wohnung verbleiben, und das Vermögen konnte auf den nichtjüdischen Partner bzw. die Kinder übertragen werden. Später musste der jüdische Partner aus "privilegierter" Mischehe keinen "Judenstern" tragen und wurde von der Deportation (bis Jahresbeginn 1945) befreit.

Als "nichtprivilegiert" galten Paare, wenn der Mann Jude und die Ehe kinderlos war, wenn ein Ehepartner jüdisch war und die Kinder jüdisch erzogen wurden, oder wenn der nichtjüdische Partner bei der Eheschließung zum Judentum konvertiert war. Diese Paare besaßen die o. a. Rechte nicht, bei der Auswanderung wurden sie wie Juden behandelt. Der jüdische Partner unterlag der Kennzeichnungspflicht, von der Deportation wurde er/sie "zurückgestellt".

War eine "Mischehe" durch Scheidung oder Tod aufgelöst, wurde der jüdische Partner deportiert, meist nach Theresienstadt. Unabhängig vom Status der Ehe entfiel der Schutz vor Deportationen, wenn der jüdische Partner kriminalisiert wurde. Die Schutzhäftlinge wurden dann nach Auschwitz deportiert. Bei Kriegsende lebten noch 12.000 Juden in "Mischehe" in Deutschland.

"Mischlinge"

Nach den Ausführungsverordnungen der Nürnberger Gesetze galten "Halbjuden", die nicht jüdisch erzogen waren als "Mischlinge ersten Grades". Gehörten sie allerdings einer jüdischen Gemeinde an, unterlagen sie als "Geltungsjuden" allen antijüdischen Maßnahmen.

Als "Mischlinge ersten Grades" standen sie hingegen unter Sonderrecht: Sie durften keine pädagogischen, medizinischen, juristischen, künstlerischen Berufe ergreifen und nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt werden. Dafür standen ihnen technische und kaufmännische Berufe offen.

Universitäts- und Schulabschlüsse wurden ihnen erst erschwert, dann verwehrt. Der NS-Staat zog sie zunächst zur Wehrmacht ein, entließ sie dann jedoch wieder, es sei denn, sie hatten sich durch besondere Tapferkeit ausgezeichnet. "Mischlinge" wurden nicht deportiert, es sei denn sie saßen nach Oktober/November 1942 als Häftlinge in einem Gefängnis oder KZ ein.

Im Deutschen Reich lebten 1939 ca. 8000 "Geltungsjuden" und ca. 64 000 "Mischlinge ersten Grades".

In der NSDAP, insbesondere in der SS, versuchten die Rassenfanatiker immer wieder die Gleichbehandlung von "Mischlingen ersten Grades" mit Juden einzuführen. Auf der Wannsee-Konferenz am 20.1.1942 und zwei folgenden "Endlösungskonferenzen" erreichte die Gefährdung der Mischehen wie der "Mischlinge" den Höhepunkt.

Erstere sollten zwangsweise geschieden und der jüdische Partner deportiert werden, die "Mischlinge" entweder sterilisiert oder deportiert werden. Doch eine Entscheidung wurde auf die Zeit nach dem Kriege verschoben, was ihr Leben rettete. Ab 1942 wurden die schulpflichtigen "Mischlinge ersten Grades" von Haupt- und weiterführenden Schulen verwiesen, ab 1943/1944 die über 17-Jährigen zur Zwangsarbeit eingezogen, teils fernab ihrer Heimatorte.

Von Beate Meyer //

Aus:
Susanne Lohmeyer: Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West. Biographische Spurensuche. Herausgegeben von Dr. Rita Bake und Dr. Beate Meyer, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, Hamburg 2012 Bd2, S. 580f.

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