Gespräch

Adenauers dunkle Seite – wieso ein treuer Parteisoldat die SPD an ihn verriet

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INTERVIEW
Martin Gramlich

Einen „Abgrund von Machtmissbrauch“ nennt der Historiker Klaus-Dietmar Henke die jüngst bekannt gewordene jahrelange Bespitzelung der SPD durch den BND im Auftrag des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Henke hat im Auftrag der Bundesregierung und mit Hilfe des BND diesen Spionageakt rekonstruiert.

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Adenauer scherte sich nicht ums Grundgesetz

Die Geschichte der Bundesrepublik wird nach diesem Skandal umgeschrieben werden müssen: Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler nach dem Zweiten Weltkrieg und Mitverfasser des Grundgesetzes, hat systematisch gegen eben jenes Grundgesetz verstoßen, indem er über ein Jahrzehnt lang seine Kontrahenten von der SPD durch den Bundesnachrichtendienst ausspionieren ließ.

And Now for Something Completely Different: Kanzler und @CDU-Chef #Adenauer ließ in der jungen Bundesrepublik @spdde (und @fdp) bespitzeln. Das hat eine unabhängige Historikerkommission unter K.-D. Henke herausgefunden. Die @SZ berichtet (€). https://t.co/sLwV8RZq7k

Schwer zu rekonstruierender Spionageakt

Dass diese Operation nicht schon viel eher aufgeflogen ist, „wurde nur dadurch möglich, dass es insgesamt nur sechs oder sieben Menschen gab, die davon wussten“, sagt Historiker Klaus-Dietmar Henke in SWR2, der im Auftrag der Bundesregierung und mit Hilfe des BND rund 500 Akten zusammengetragen hat, anhand derer sich der Spionageakt rekonstruieren lässt.

Adenauer bediente sich der Nazi-Helfer Reinhard Gehlen und Hans Globke

Im Zentrum stehen dabei BND-Gründer Reinhard Gehlen, der Adenauers Kanzleramtschef Hans Globke die Informationen angeboten hat. Und natürlich auch die beiden Spitzel selbst: Siegfried Ziegler und Siegfried Ortloff. „Ortloff war als Mitglied im SPD-Vorstand und Protokollführer der beste Informant, den man haben konnte“, so Henke.

Motiv der SPD-Informanten weiter unklar

Warum gerade der als aufrechter Sozialdemokrat bekannte Ortloff seine eigene Partei verraten hat, darüber könne man nur mutmaßen, sagt Henke, „Vermutlich war es auch die Angst vor Parteirückkehrer Herbert Wehner. Außerdem gehörte Ortloff zum Parteiestablishment und war somit innerparteilich dem jungen Nachwuchs wie Willy Brandt oder Helmut Schmidt entgegen gesetzt.

Klaus-Dietmar Henke, zur Ausspähung der SPD-Spitze durch Konrad Adenauer (tagesschau.de 11.4.2022)

Zeitwort 23.7.1963: Die DDR verurteilt den NS-Schreibtischtäter Globke

Hans Globke war Mitverfasser der Nürnberger Rassegesetze und später Staatssekretär in der Adenauer-Regierung. Ein DDR-Gericht verurteilte ihn zu lebenslänglicher Haft.

SWR2 Zeitwort SWR2

Zeitwort 22.10.1969 Herbert Wehner wird SPD Fraktionsvorsitzender

„Sie sind ein Skandal für dieses Haus, Sie Abscheubild, quasi-Parlamentarier“: Herbert Wehner - berühmt-berüchtigt für seine Wutausbrüche – war 13 lange Jahre Fraktionsvorsitzer.

SWR2 Zeitwort SWR2

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