Zeitwort

5.2.1956: Der Stuttgarter Fernsehturm wird eröffnet

Stand
AUTOR/IN
Tobias Ignée

Die 216 Meter hohe „Nadel“ war 1956 weltweit der erste Stahlbetonturm. Als Wahrzeichen der Stadt Stuttgart ist der Fernsehturm offizielles Kulturdenkmal.

Audio herunterladen (4 MB | MP3)

Eine Aussichtsplattform für die Stuttgarter Bürger

Eigentlich hatte der damalige Süddeutsche Rundfunk eine 200 Meter hohe, technisch nüchterne Stahlgitterantenne für den Radio- und Fernsehempfang geplant. Als der Stuttgarter Bauingenieur und Fachmann für Brücken und Türme Fritz Leonhardt davon Wind bekam, schlug er vor, etwas zu bauen, wovon auch die Stuttgarter Bürger etwas haben, zum Beispiel mit einer Aussichtplattform.

Oberbürgermeister Arnulf Klett Feuer und Flamme für das Projekt, sein Kämmerer hingegen bekam kalte Füße. Die Kosten für den Sendeturm hatte der SDR zu tragen, aber die Mehrkosten für das Restaurant in schwindelnder Höhe, die Aussichtsplattform und die Aufzüge wollte die Stadt nicht tragen.

Bei sehr starkem Wind schwankt der Turm 30 Zentimeter hin und her

Schließlich gelang es, zwei Firmen für die Finanzierung mit ins Boot zu holen und im Sommer 1954 wurde der Bau für den weltweit ersten Stahlbetonturm auf dem Hohen Bopser über dem Talkessel Stuttgarts genehmigt. Das Fundament hatte eine Besonderheit: es war nicht einfach eine banale Fundamentplatte, sondern eine Kreisring, der gegen Horizontallasten und Vertikallasten stabiler ist. Dadurch kann der Turm besser den Windbelastungen standhalten - bei sehr starkem Wind schwankt er in Höhe des Restaurants bis zu 30 Zentimeter hin und her.

Sowohl bautechnisch als auch ästhetisch ist der Fernsehturm eine Meisterleistung, die lange Zeit ihresgleichen suchte und weltweit Vorbild für viele andere Türme war. Bei der symbolischen Schlüsselübergabe am 5. Februar 1956 kam der damalige Intendant des SDR und Bauherr Fritz Eberhardt nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.

„Ich eröffne mit Stolz das zehnthöchste Bauwerk der Erde in Stuttgart auf dem hohen Bopser. Möge der Turm, soweit er der Fernsicht dient, die Liebe zur schönen engeren Heimat stärken. Möge der Turm, soweit er der Fernseh- und Rundfunkarbeit dient, dazu helfen, die Menschen in der ganzen Welt einander näher zu bringen.“

Auch die Queen war schon oben

Die Öffentlichkeit konnte den Ausblick von der 211 Meter hohe Beton-Nadel zwei Tage nach der Schlüsselübergabe genießen. Ein fantastischer Panoramablick, den sich im Mai 1965 auch Queen Elizabeth II. bei ihrem ersten Deutschlandbesuch nicht entgehen ließen. Durch die Eintrittspreise waren die Baukosten in Höhe von umgerechnet etwas über 2 Millionen Euro schon nach paar Jahren wieder eingespielt. Ein Schnäppchen, wenn man es mit den Wartungskosten vergleicht.

2013 dann der Schock: der Stuttgarter Fernsehturm musste für den Publikumsverkehr geschlossen werden, weil er den Brandschutzauflagen nicht mehr genügte. Auch wurde über eine dauerhafte Schließung spekuliert. Drei Jahre später wurde der Urahn aller Fernsehtürme wieder für das Publikum geöffnet, der Sendebetrieb war niemals unterbrochen. Der Wunsch des Erbauers Fritz Leonhardt, der bei der Eröffnung am 5. Februar 1956 dem Wahrzeichen Stuttgarts gut und gerne 200 Jahre gab, besteht also weiter, und inzwischen hat der Turm die Chance, zum UNESCO-Welterbe zu werden.

Stand
AUTOR/IN
Tobias Ignée