Zeitwort

30.4.1945: Lee Miller steigt in Hitlers Badewanne

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AUTOR/IN
Almut Finck

Das Foto wurde weltberühmt: Eine Frau sitzt in einer Badewanne, geschmückt mit Hitler-Porträt und der kleinen Statue einer nackten Frau. Die Frau in Hitlers Badewanne war die amerikanische Fotografin Lee Miller. Das Foto machte ihr Kollege David Scherman am 30. April 1945. Wie entstand diese Aufnahme?

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Das Foto der Amerikanerin in Hitlers Badewanne ging um die Welt

„In München fanden wir einen alten Mann, der Englisch konnte“ erzählt Fotograf David Scherman in einem Interview. „Er zeigte uns Hitlers Wohnung. Ich erinnere mich daran, dass Lee in Hitlers Wanne badete...“

Lee Miller. Die Amerikanerin in Hitlers Badewanne. Das Foto, das ihr Kollege David Scherman am 30. April 1945 macht, geht um die Welt. Eine Momentaufnahme? Nein, sagt die Medienwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen: „Wenn man sich das Foto genauer anschaut, sieht man, dass Lee Miller das sehr genau inszeniert hat.“

Kacheln, Dusche und Kleiderhaufen – Zeichen des Todes im KZ

Rechts im Bild die Miniaturbüste einer Frau, links auf dem Badewannenrand Adolf Hitler in schwarz-weiß,  sowohl die Büste der nackten Frau wie auch das Foto des Führers hat sie genauso platziert, damit sie zwischen diesen Objekten in der Badewanne sitzt, wie Bronfen erklärt.

Mit einem Waschlappen fährt sich Miller über die Schulter, den Blick fragend auf die Kamera gerichtet. Hinter ihr der Schlauch einer Dusche, zwei Wasserhähne, auf einem Stuhl vor der gekachelten Wanne ein Berg Kleidung, Lees Soldatenuniform. Daneben ihre dreckigen Armeestiefel.

Kacheln, Dusche und Kleiderhaufen – Zeichen des Todes in der Bildersprache der Konzentrationslager. Nur einen Tag zuvor ist Lee Miller im gerade eben befreiten Dachau gewesen, hat die als Duschräume getarnten Gaskammern fotografiert, die überall im Lager gestapelte Kleidung, die verkrümmten Leiber der nackten Toten. Jetzt also wieder Kacheln und Nacktheit und Kleiderberge. Jetzt aber stehen sie für Sieg.

Das Foto dokumentiert: Hitler ist nicht mehr hier

„Das ist ganz eindeutig kein Schnappschuss,“ sagt Elisabeth Bronfen, „es ist ein Dokument: Ich sitze in Hitlers Badewanne. Das heißt: Er ist nicht mehr hier. Wir haben diesen Ort erobert, dieses Land erobert.“

In ihrem ersten Leben war die 1907 geborene Lee Miller ein gefeiertes Fotomodell, in den 30er-Jahren Muse der Surrealisten in Paris, Freundin von Man Ray, Picasso, Max Ernst. Dann stellte sie sich hinter die Kamera. Als eine der ersten akkreditierten Kriegsberichterstatterinnen begleitet sie ab 1941 US-Soldaten quer durch Europa. „Sie war sehr beliebt bei den GIs, weil sie so völlig unprätentiös war, gar nicht wie ein Fotomodell“, erinnert sich David Scherman. „ Sie sah aus wie alle anderen GIs in ihren dreckigen Ami-Klamotten“.

Das einstige Fotomodell dokumentiert die physischen Grauen des Krieges

Lee Miller berichtet von der Landung der Amerikaner in der Normandie, der Belagerung St. Malos. Es erstaunt, wo ihre Reportagen und oft verstörenden Fotos von toten Soldaten, KZ-Leichen und zerbombten deutschen Städten erscheinen. So berichtete Lee Miller für die Modezeitung Vogue.

Mit dieser irritierenden Mischung aus Schönheit, Selbstdarstellung, Erotik und Gewalt, wie sie aus dem legendären Badewannenfoto spricht, war Miller schon als Kind konfrontiert. Der Vater fotografierte geradezu besessen seine so entzückende wie eigensinnige kleine Tochter, meistens nackt. Lee Millers eigene Bildreportagen zeigen überdeutlich das physische Grauen des Krieges.

Nach dem Krieg nimmt Miller nie wieder eine Kamera in die Hand

Nach dem Krieg geht Miller nach England. Eine Kamera nimmt sie nie wieder in die Hand. Erst nach ihrem Tod 1977 entdeckt ihr Sohn Schuhkartons mit Zehntausenden von Negativen und Abzügen. Heute verwaltet Tony Penrose in seinem zum Museum umgebauten Elternhaus den Nachlass Lee Millers.

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Almut Finck