Die „Wiege der deutschen Demokratie“, ein „herausragender Ort“, an dem „der Geist der Freiheit erwacht sei“: Es gibt viele Superlative, wenn von der Frankfurter Paulskirche die Rede ist. Dort trat vor 175 Jahren, am 18. Mai 1848, erstmals die deutsche Nationalversammlung zusammen. Doch Frauen blieben beim ersten deutschen Parlament komplett außen vor und auch sonst spiegelte die Zusammensetzung der Abgeordneten keineswegs die gesellschaftliche Realität wider.

„Der Geist der Freiheit erwacht nicht im Paulskirchenparlament“
Nur ein Drittel der Abgeordneten haben 1848 tatsächlich eine Republik gewollt. Insofern sei die verklärende Betrachtung der Nationalversammlung eher Projektion, so die Freiburger Historikerin Claudia Gatzka im Interview mit SWR2: „Der Geist der Freiheit erwacht nicht im Paulskirchenparlament. Er erwachte in den Monaten zuvor auf den Straßen der deutschen Staaten.“
Die Paulskirche sei bedeutsam vor allem als Institution, als Symbol für das erste gesamtdeutsche Parlament. „Aber das ist nicht nur Demokratiegeschichte“, meint Gatzka, „die fand auch woanders statt: auf der Straße.“
SWR2 Zeitwort: Die Frankfurter Paulskirche wird am 9. Juni 1833 eingeweiht
Revolution findet nicht im Parlament statt
Das habe auch Folgen für unsere moderne Erinnerungskultur: Die politische Elite müsse „darauf aufpassen, nicht nur das zu suchen, was ihr ähnlich ist.“ Es gelte, sich auch diejenigen historischen Orte, Praktiken und Akteure anzusehen, die „nicht liberal, respektabel und gebildet“ waren. „Das waren die, die im 19. Jahrhundert häufiger Demokratie forderten“, meint die Historikerin von der Universität Freiburg.
Für ein tatsächlich umfassendes Gedenken macht Claudia Gatzka einen konkreten Vorschlag: „Man müsste eigentlich eine Barrikade neben die Paulskirche stellen, um eben auch diese Facette des Revolutionären zu erinnern.“ Revolution, so Claudia Gatzka, finde eben nicht im Parlament statt, „sondern auf der Straße“.
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