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16.12.1992: Gunter Demnig verlegt den ersten Stolperstein

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AUTOR/IN
Martina Meißner

Der Künstler Gunter Demnig kämpft mit Stolpersteinen gegen das Vergessen und hat damit das größte dezentrale Mahnmal der Welt geschaffen.

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Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen

Gunter Demnig trägt seine Markenzeichen: einen grauen Hut mit breiter Krempe, ein rotes Halstuch, Knieschoner. Beladen ist er mit einem Eimer voll Zement, seinen Werkzeugen und einem neuen blankpolierten Stolperstein.

„Ich weiß nicht mehr, wie ich auf den Titel gekommen bin. Aber die schönste Definition hat ein Hauptschüler eigentlich gebracht, nach einer Verlegung, ein Reporter interviewt ihn und fragt ihn: Ja, aber sag mal, das ist doch gefährlich, Stolpersteine. Da fällt man doch hin. Und der Schüler sagt: Nein, nein, man fällt nicht hin, man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen“, so Demnig.

Finanziert werden die handgearbeiteten Stolpersteine durch Patenschaften

Auf den zehn mal zehn Zentimeter breiten Messingplatten sind Inschriften angebracht, die meist die gleiche Überschrift tragen: „Hier wohnte“. Demnig über den Gedanken dahinter: „Mein Anliegen war wirklich, da wo es anfangen hat, da wo die Wohnungen waren, dorthin die Namen zurückzubringen. Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist. Also die Namen zurückbringen statt der Nummern, die sie waren.“

Finanziert werden die 120 Euro pro Stein über Patenschaften. Darunter sind auch viele Schulklassen. Die Stolpersteine werden in Handarbeit hergestellt:

„Für mich ein ganz wichtiger Aspekt, dass es wirklich Handarbeit ist. Ich werde immer gefragt: Warum lasst ihr das nicht in der Fabrik fräsen? Dann sage ich: Auschwitz war Fabrik. Und das wollen wir nicht, wir wollen wirklich jedem einen individuellen Stein geben.“

In 20 Ländern wurden mehr als 75.000 Stolpersteine gesetzt

Das „größte dezentrale Denkmal der Welt“ erhält viel Unterstützung, aber es gibt auch Kritiker, die mit dieser Form des Gedenkens nichts anfangen können. Weil es ihrer Meinung nach kein würdiges Gedenken sei, an so einem schmutzigen Ort wie dem Gehweg einen Stolperstein zu verlegen.

Hin und wieder werden auch Steine gestohlen, beschmiert oder zerstört. Aber die meisten Menschen unterstützen Gunter Demnig und so erinnern bereits mehr als 80.000 Stolpersteine in rund 20 Ländern an die Opfer der Nationalsozialisten.

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Martina Meißner