Kult-Spielzeug

Eine Revolution im Kinderzimmer: Vor 49 Jahren stellt Playmobil die ersten Figuren vor

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AUTOR/IN
Christiane Kopka
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Franziska Kiedaisch

Es fing ganz alltäglich an: mit Geldproblemen. Der fränkische Unternehmer Horst Brandstätter beschloss, von Möbeln auf Spielzeug umzusteigen und entfachte damit eine Revolution in Kinderzimmern. Am 2. Februar 1974 wurden die ersten Playmobil-Figuren der Öffentlichkeit präsentiert.

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Die erste Präsentation gerät zum Flop

Siebeneinhalb Zentimeter groß und mit einem freundlichen Lächeln: Ein Bauarbeiter, ein Indianer und ein Ritter waren die ersten Playmobilfiguren. Doch ihre Präsentation am 2. Februar 1974 geriet zum Flop.

„Die Reaktion war enttäuschend, weil die Einkäufer von dem Produkt nichts gehalten haben. Ich war sehr erschreckt“, erinnerte sich der mittlerweile verstorbene Horst Brandstätter später in einem Interview.

Dem Firmenchef aus dem fränkischen Zirndorf stand zu dieser Zeit das Wasser bis zum Hals: Er produzierte in seiner Firma Geobra Brandstätter vor allem Kindermöbel, für die relativ viel Kunststoff benötigt wurde. Während der Ölkrise war das ein teures Modell.

Eine neue Figur, für die nur wenig Plastik benötigt wird

Brandstätter und sein Produktentwickler Hans Beck planten deshalb ein Spielzeug-System, für das nur wenig Plastik benötigt wurde. Beck, ein Möbelschreiner aus Thüringen, erfand die kleinen Männchen, die so ganz anders waren als alle Figuren, die bis dahin die Kinderzimmer bevölkert hatten.

„Die Figuren, die am Markt waren, die hatten alle ihren festgelegten Charakter. (...) Und der Herr Beck wollte dem Kind die Möglichkeit geben, die Figur nicht nur zu bewegen, sondern auch einen Charakter anzunehmen, den die Figur vielleicht gar nicht hat.“

Becks Männchen konnten sich bewegen und darüber hinaus ihre Kopfbedeckungen austauschen. Ihr besonderes Kennzeichen wurde das immer gleiche Lächeln.

Mozart, Fontane oder Angela Merkel – Diese Playmobilfiguren sind etwas Besonderes:

Playmobilfigur Mozart (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com)
Nur siebeneinhalb Zentimeter groß, aber mit Perücke und Geige trotzdem zweifelsfrei zu erkennen: 2019 kommt eine Mozart-Playmobilfigur auf den Markt. Bild in Detailansicht öffnen
Playmobilfiguren Luther, Goethe und Bach (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Bodo Schackow)
Jährlich wechselnde Sondereditionen zeigen miniaturisierte Ansichten berühmter Personlichkeiten. So etwa Martin Luther (2015), Johann Wolfgang von Goethe (2016) oder Johann Sebastian Bach (2019) (von links nach rechts). Bild in Detailansicht öffnen
Fontane als Playmobilfigur (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Jens Kalaene)
Auch Theodor Fontane erscheint 2018 anlässlich seines 200. Geburtstags als Playmobilfigur in einer Sonderedition. Bild in Detailansicht öffnen
Albrecht Dürer (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Daniel Karmann)
Albrecht Dürer wird 2011 im Auftrag des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg anlässlich der Ausstellung „Der frühe Dürer“ als Spielfigur adaptiert. Der Playmobil-Dürer wird über das Tourismusbüro der Stadt vertrieben. Bild in Detailansicht öffnen
Asterix und Obelix als Playmobilfiguren (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Marcus Brandt)
Popkultur trifft Kinderzimmer: Die wohl bekanntesten Gallier der Welt, Asterix und Obelix, sind Vorbild für diese Playmobilfiguren. Bild in Detailansicht öffnen
Ghost Busters als Playmobil (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Daniel Karmann)
Da Playmobil üblicherweise keine Lizenzen zur Nutzung bekannter Charaktere aus Film und Fernsehen kauft, stellt auch die Ghost-Busters-Serie eine seltene Ausnahme des Herstellers dar. Bild in Detailansicht öffnen
Angela Merkel als Playmobilfigur  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Daniel Karmann)
Auch Politiker*innen können zur Spielfigur werden – hier ist das aber wortwörtlich zu verstehen. Die Figur von Angela Merkel wird anlässlich eines Besuches von Horst Seehofer in der Playmobil-Fabrik 2012 hergestellt. Sie stand jedoch nie zum Verkauf. Bild in Detailansicht öffnen
Ilse Aigner als Playmobilfigur (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
Ebenfalls nicht käuflich zu erwerben ist das Abbild von Ilse Aigner: Auf der Nürnberger Spielwarenmesse bekommt die frühere bayerische Wirtschaftsministerin am Stand der Geobra Branstätter GmbH die Figur geschenkt. Bild in Detailansicht öffnen
Kneipp als Playmobilfigur (Foto: IMAGO, imago images/MiS)
Sebastian Kneipp gibt es seit 2021 als Playmobil-Adaption. Der Priester und Namensgeber der populären Wasserkur wäre 2021 200 Jahre alt geworden. Die Sonderfigur entstand als Auftragsarbeit für den Kneipp-Bund. Bild in Detailansicht öffnen
Luther Playmobil (Foto: IMAGO, imago/epd)
Die erfolgreichste Playmobilfigur aller Zeiten: Martin Luther kommt 2015 als Auftragsproduktion für die EKD und die Deutsche Zentrale für Tourismus auf den Markt. Die Erstauflage (34.000 Stück) ist innerhalb von 72 Stunden vergriffen. Inzwischen wurde die Figur bereits mehr als eine Million mal verkauft. Bild in Detailansicht öffnen
Neue Reformation mit Playmobilfiguren (Foto: IMAGO, imago/epd/Joern Neumann)
Am Reformationstag 2017 nutzt der Kölner Pfarrer Hans Moertter 95 geschmolzene Figürchen für einen Appell. Gemeinsam mit dem Künstler Rochus Aust bildet er aus den 95 deformierten Luther-Figuren Buchstaben einen Satz, der zu Nächstenliebe aufruft. Bild in Detailansicht öffnen
Slash (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Daniel Karmann)
Slash (bürgerlich: Saul Hudson), unter anderem als Gitarrist der Band Guns N’ Roses bekannt, erhält ebenfalls ein Playmobil-Double: stilecht mit seinen Markenzeichen, der dunklen Sonnenbrille und Zylinder. Bild in Detailansicht öffnen
Sigfried und Roy (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa)
Die Magier Siegfried und Roy sind mit einem weißen Tiger zu sehen, der nicht nur Teil der Show war, sondern auch die Karriere von Siegfried und Roy beendete: 2003 verletzte ein weißer Tiger Roy (bürgerlich: Uwe Horn) während einer Show schwer. Bild in Detailansicht öffnen
Michael Jackson als Playmobilfigur (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Daniel Karmann)
Der „King of Pop“ als Playmobilfigur: Michael Jackson und sein Affe Bubbles. Bild in Detailansicht öffnen
Pfarrer Marlus Bomhard zeigt am Dienstag, 31. Maerz 2009, in Steinbach im Taunus die von ihm veraenderte Playmobil-Figuren Adam und Eva. Der Spielwarenhersteller Playmobil geht gegen die Bibeldarstellung des hessischen Pastors mit seinen Spielfiguren vor. Sie verletze Urheberrechte, erklaerte das Unternehmen am Dienstag. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Michael Probst)
Playmobilfiguren besitzen nach einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 1994 „urheberrechtliche Werksqualität“ und gelten als „Werke der angewandten Kunst“. Das wurde dem Pfarrer Markus Bomhard zum Verhängnis, der mit den Figuren biblische Szenen nachstellte und diese im Internet veröffentlichte. Geobra Brandstätter wirft ihm eine Urheberrechtsverletzung vor, Bomhard beendet seine Aktivitäten. Bild in Detailansicht öffnen
Sonderausgabe von Playmobil-Figuren als Werbung fuer Thueringen und die WM 2023 in Rodeln und Biathlon, 1152022, Oberhof (Deutschland), Eberspaecher Luge World Cup Oberhof (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / foto2press | Steffen Proessdorf)
Diese Werbemaßnahme spricht vermutlich Groß und Klein an: Zur Rodel- und Biathlon-WM 2023 im thüringischen Wintersportort Oberhof gibt es eine Playmobil-Sonderedition. Bild in Detailansicht öffnen
Schwangere Playmobilfigur (Foto: IMAGO, imago images / Karina Hessland)
Seit ihrer Erfindung haben sich die Figuren immer wieder verändert. 1976 gibt es erstmals Playmobil-Frauen. Schwangere erweitern ab 2012 das Sortiment. Bild in Detailansicht öffnen
Queen Elizabeth II als Playmobilfigur (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Sebastian Kahnert)
Royaler Glanz im Kinderzimmer: Auch Queen Elizabeth II. ist als Spielfigur erhältlich ... Bild in Detailansicht öffnen
Niederländische Königsfamilie (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / dpa | Joyce Van Belkom)
... sowie die niederländische Monarchie: Königin Maxima und König Willem-Alexander gibt es ebenfalls in Miniatur. Bild in Detailansicht öffnen

Eine Erfolgsgeschichte made in Germany

1974 fand sich nach der ersten großen Enttäuschung auf der Nürnberger Spielwarenmesse doch noch ein Interessent: Ein Einkäufer aus den Niederlanden habe sich schnell für die Figuren begeistert und direkt riesige Mengen geordert – und zwar so viel, dass es die Kapazitäten von Brandstätters Firma überstieg, erzählt Brandstätter später einmal.

Hals über Kopf vergrößerte er deshalb seine Firma, stellte sie ganz auf Playmobil um und lieferte schon im ersten Jahr Figuren für drei Millionen Mark. Im zweiten Jahr lag der Umsatz bereits bei 30 Millionen, im dritten bei über 100 Millionen.

1976 kamen weibliche Figuren dazu, außerdem Fahrzeuge, Häuser, Tiere und schließlich ganze Spielwelten wie der Zirkus oder die Pirateninsel.

Ein universelles Spielzeug 

Bei Kindern ist das 70er-Jahre-Spielzeug bis heute beliebt – zumal die Firma ständig neue Serien auf den Markt bringt und mittlerweile sogar eigene Fantasy-Szenarien kreiert. Doch auch die Klassiker kommen noch immer gut an.

Doch die Figuren sind längst nicht mehr aufs Kinderzimmer beschränkt: Es gibt Napoleon und Goethe als Playmobilmännchen – oder Martin Luther, der mit einer Million verkauften Exemplaren die erfolgreichste Figur überhaupt ist.

Auf YouTube werden Klassiker der Weltliteratur mit Playmobil nacherzählt, auch Opern oder die Schöpfungsgeschichte werden mit den kleinen Figuren dargestellt. Und Profi-Sammler entwickeln komplexe Dioramen für Museen oder Ausstellungshallen.

Zeitwort 3.12.1994: In Japan wird die erste PlayStation verkauft

Schnell avancierte die PlayStation zum Lieblings-Spielzeug von Menschen weltweit. In Deutschland hat der Kulturrat Computerspiele mittlerweile zum „Kulturgut“ erklärt.

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