Wenn wir uns so richtig Mühe geben mit dem Essen, dann posten wir das gerne auf Facebook und Instagram. Lästerliche Zungen sprechen dann vom „Foodporn“. Was der digitale Exhibitionismus mit den Stillleben der Barockzeit zu tun hat, das zeigt die aktuelle Ausstellung des Ulmer Museums Brot und Kunst.
Wenn das Zeigen wichtiger wird als als das Essen
Der Tisch ist gedeckt, das Essen serviert, die Familie wird gleich loslegen. Doch an diesem Punkt haut die Videokünstlerin Youngbin Noh die Bremse rein: In ihrem Film „Mahlzeit“ muss das Essen erst noch von allen Seiten fotografiert und dann hochgeladen werden. Ein Akt des Exhibitionismus: Das Zeigen ist wichtiger als das Essen.

Foodporn mit Blutorangen
„Wenn diese Zeigen etwas so Schnelles, Zwanghaftes hat, dann kriegt es eine andere Qualität“, sagt Museumsleiterin und Kuratorin Isabel Greschát. Den unbändigen Trieb, jeden unserer Genüsse auf den Social-Media-Kanälen zu posten, nennen manche lästerlich „Foodporn“. Diesen Begriff treibt die amerikanische Künstlerin Stephanie Sarley auf die Spitze. Sie macht „Fruit Art Videos“, fingert an Blutorangen herum, dringt in sie ein – ein feucht-sinnliches und zugleich provozierendes Vergnügen.

Die (zerstörte) Harmonie barocker Stillleben
Mit Farbenlust und Sinnlichkeit hat alles begonnen: Auch das zeigt die Ausstellung und geht an die Anfänge der barocken Stillleben zurück. Mario Nuzzis „Blumenstrauß in Vase“ zeigt Tulpen, die den Höhepunkt ihrer Pracht hinter sich haben. Die Stillleben sind Symbole der Vergänglichkeit. Und noch etwas macht diese Kunstform so, sagt Isabel Greschat: Stillleben erzählen keine Geschichte, sondern wirken durch Licht, Farbe, Kontrast und Komposition.
Diese Harmonie barocker Stillleben greift auch Fotograf Ori Gersht auf: Er zitiert die hängenden Früchte des barocken Malers Juan Sanchez Contán. Gershts Video „Granatapfel“ beginnt ganz ohne Bewegung. Plötzlich trifft eine Pistolenkugel auf einen Granatapfel, in Zeitlupe wohlgemerkt. Das rote Innere des Granatapfels verspritzt wie Blut.

Was sagt uns die Ästhetik verschimmelter Lebensmittel?
Die Bilder der Ausstellung sind oft verstörend und zugleich irritierend schön: Der Österreicher Klaus Pichler arrangiert für seine Serie „One Third“ verschimmelte Lebensmittel so kunstvoll, dass sie ansehnlich, ja appetitlich wirken. Mit „One Third“ weist Pichler darauf hin, dass ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel im Müll landen. So wird die Ausstellung „Vom Stillleben zum Foodporn“ zu einer Reise von der Sinnlichkeit und Lust zu den Exzessen unseres Umgangs mit dem täglichen Brot.

Das Museum Brot und Kunst in Ulm
Das Museum Brot und Kunst – Forum Welternährung der Eiselen-Stiftung Ulm stellt die Bedeutung von Getreide und Brot für die Entwicklung der Menschheit dar. Dazu gehört die Natur-, Technik- und Sozialgeschichte der Brotherstellung ebenso wie die kulturelle Bedeutung von Brot als Sinnbild des Lebens in der jüdisch-christlichen Vorstellungswelt. Hochrangige Kunstwerke des 15. bis 21. Jahrhunderts sollen zeigen, wie tief und vielschichtig das Motiv Brot bzw. Getreide in unserer Kultur verankert ist.
Ausstellung Wie Alkohol die Gesellschaft prägt – Große Ausstellung in Stuttgart
Schon in der Steinzeit konnten sich die Menschen am Bier erfreuen. Keltische Trinkhörner und mittelalterliche Weinbrunnen zeugen von Rang und Macht. Die Ausstellung im Alten Schloss in Stuttgart beleuchtet Trinkgewohnheiten und Trinkspiele, widmet sich aber ebenso dem Missbrauch von Alkohol heute. Eine gefährliche Droge mit dramatischen Auswirkungen auf den Einzelnen wie die gesamte Gesellschaft.
Musikthema Eine kleine Biermusik: Einfluss von Bier und Wein in der Kunstmusik
Bier und Wein werden nachweislich seit zehntausend Jahren konsumiert. In der Ausstellung „Berauschend“ widmet sich das Landesmuseum Stuttgart dem Thema „Alkohol als Kulturgut“ und beleuchtet den Einfluss der Getränke auf die Gesellschaft und deren Zusammenhalt. Auch in der Kunstmusik haben Bier und Wein ihre Spuren hinterlassen, teils heiter, teils tragisch.
Gespräch Wenn Essen auf Kunst geworfen wird - ,,Museen könnten in Zukunft wie Flughäfen aussehen“
„Das Museumspersonal müsste speziell ausgebildet sein, um schnell reagieren zu können“, sagt Remigiusz Plath, Sprecher beim Deutschen Museumsbund und Sicherheitsexperte. Das sei notwendig, weil immer mehr Klimaaktivist*innen Kunstwerke als Protest attackierten. Das Personal zu schulen, würde jedoch allein nicht reichen, meint Plath, auch andere Faktoren müssten verändert werden: Monitoringsysteme, Sicherheits- und Bautechnik sowie Verglasung, die aber eine Distanz zwischen den Museen, den Besucher*innen und der Kunst schaffen würde.