Ausstellung

Zeit, Sterblichkeit und Liebe: Michael Anthony Müller im Städel Museum Frankfurt

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AUTOR/IN
Natali Kurth

Michael Anthony Müller gehört zu den prägenden Figuren der deutsche Gegenwartskunst. Der in Ingelheim am Rhein geborene Müller lebte viele Jahre in Indien in einem Kloster. Seitdem beschäftigt er sich mit der Bedeutung von Zeit, Sterblichkeit und Liebe. Die griechische Antike spielt in Müllers großer Leinwandarbeit „Der geschenkte Tag" dabei genauso eine Rolle, wie die beeindruckende Idee, mit einem abstrakten Kunstwerk eine Geschichte zu erzählen.

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24 Gemälde für die 24 Stunden eines Tages

6 x 65 Meter misst die raumfüllende Arbeit „Der geschenkte Tag“ von Michael Anthony Müller. 24 einzeln aufgehängte, deckenhohe Leinwände symbolisieren die 24 Stunden eines Tages.

„Für mich bekam mein Leben einen neuen Biorythmus, in dem ich diesen Tag malte, weil ich zu Zeiten gemalt habe, an denen ich sonst nicht male - wie tief in der Nacht.“

Farbgewaltig brechen die Gemälde über den Besucher ein, wenn er den Raum betritt. Die Arbeit bezieht sich dabei auf den griechischen Mythos des Zwillingspaares Kastor und Polydeukes: Kastor ist sterblich, sein Bruder göttlich. Zeus schenkt ihnen einen Tag zwischen der Unterwelt und dem Olymp.

Der geschenkte Tag, Michael Müller (Foto: Pressestelle, Studio Michael Müller)
Die Installation ist insgesamt 6 x 65 Meter groß und wurde extra für das Städel Frankfurt angefertigt. „Der geschenkte Tag“, Detail, 2021-2022, Acryl, Gesso und Lack auf bedruckten belgischen Leinen.

„Und diesen Tag versucht Michael mit der Malerei einzufangen“, erklärt Kuratorin Svenja Grosser. „Das heißt, er unterteilt den Tag, wie Menschen das tun in 24 Stunden. Überträgt das auf die Leinwand und arbeitet tatsächlich zu jeder Stunde des Tages an einer originären Leinwand.“

Michael Anthony Müller ist Maler und Bildhauer, arbeitet groß- und kleinformatig

Diese Gemälde sind so groß, dass Michael Anthony Müller in seinem Berliner Studio von einem Hubwagen aus an ihnen arbeitete:

„Tatsächlich interessiert es mich nicht besonders groß oder klein zu arbeiten. Die Größe entsteht mit der Arbeit selbst. Meine Ideen sind ohne Form. Meistens lebe ich mit dem Gedanken ein zwei Jahre. Und dann entscheidet sich, ob es Malerei, Skulptur oder etwas anderes wird. In Frankfurt haben wir eine in sito Arbeit. Und somit stand die Architektur, die Größe der Arbeit fest.“

Der geschenkte Tag, Michael Müller (Foto: Pressestelle, Studio Michael Müller)
Fiktiver Sonnenuntergang in der Installation von Michael Anthony Müller. „Der geschenkte Tag“ (Detail), 2021-2022, Acryl, Gesso und Lack auf bedruckten belgischen Leinen. Bild in Detailansicht öffnen
Die Hände von Michael Anthony Müller - Saindakraipe Mudra 2021, Bleistift auf Papier und Klebeband. Bild in Detailansicht öffnen
Michael Anthony Müller malte zu jeder Stunde am Tag an einer speziellen Leinwand. „Der geschenkte Tag“ (Detail), 2021-2022, Acryl, Gesso und Lack auf bedruckten belgischen Leinen. Bild in Detailansicht öffnen
Die Installation ist insgesamt 6x65 Meter groß und ist extra für das Städel Frankfurt angefertigt worden. „Der geschenkte Tag“ (Detail), 2021-2022, Acryl, Gesso und Lack auf bedruckten belgischen Leinen. Bild in Detailansicht öffnen
Die Farbgebung in den Bildern orientiert sich an der Tageszeit. „Der geschenkte Tag“ (Detail), 2021-2022, Acryl, Gesso und Lack auf bedruckten belgischen Leinen. Bild in Detailansicht öffnen
In seinem Atelier arbeitet der Künstler von einem Hubwagen aus an den wandhohen Werken. „Der geschenkte Tag“ (Detail), 2021-2022, Acryl, Gesso und Lack auf bedruckten belgischen Leinen. Bild in Detailansicht öffnen
Die Arbeit an der Installation dauerte rund eineinhalb Jahre. „Der geschenkte Tag“ (Detail), 2021-2022, Acryl, Gesso und Lack auf bedruckten belgischen Leinen. Bild in Detailansicht öffnen

Eine Auseinandersetzung mit griechischer Mythologie und den eigenen indischen Wurzeln

Müller ist kein klassischer Maler, er ist auch Konzeptkünstler. Er beschäftigt sich mit der Skulptur und mit modernen Medien. Die griechische Antike spielt bei ihm ebenso eine Rolle, wie seine indischen Wurzeln. Lange Jahre lebte er in einem Kloster in der indischen Ladakh-Region. Dort lernte er, was es bedeutet, sich in etwas zu versenken. 

„Ich würde sagen, phänotypisch sieht man nicht unmittelbar, dass es einen indischen Einfluss gibt. Letztlich ist er aber in meiner ganzen Arbeit zu spüren, weil die Konzepte, die wir in Europa haben. Zum Beispiel in der Musik. ....In der gleichen Weise habe ich auch den geschenkten Tag gemalt.“

Der Entstehungsprozess ist noch heute das Hauptziel seiner Kunst, nicht das Endergebnis

Von der dunklen Nacht, über das Morgengrauen zum hellen Tag führt Müller den Betrachter durch sein malerisches Epos, an dem er eineinhalb Jahre gearbeitet hat. Das erinnert auf der einen Seite an den abstrakten Expressionismus, auch an explosive Farbausbrüche, wie man sie vom Informel eines K. O. Götz kennt.

Der geschenkte Tag, Michael Müller (Foto: Pressestelle, Studio Michael Müller)
In seinem Atelier arbeitet Michael Anthony Müller von einem Hubwagen aus an den wandhohen Werken. „Der geschenkte Tag“ (Detail), 2021-2022, Acryl, Gesso und Lack auf bedruckten belgischen Leinen.

Aber das rein Abstrakte ist Michael Anthony Müller nicht genug: „Viele Jahre hatte ich viel Distanz zur abstrakten Malerei, weil sie mir doch sehr beliebig vorkommt. Und ich mich fragte, wie kann man sich dieser Beliebigkeit entgegenstellen. Und das war für mich der große Reiz, ob eine Komposition erzählerisch werden könnte.“

Kastor und Polydeukes: Ein wiederkehrendes Motiv in der Städel-Sammlung

Und so zeigt auch das imposante Werk „Der geschenkte Tag“ neben seiner abstrakten Anmutung -  Elemente einer Geschichte.

Im Vorraum zum „Geschenkten Tag“ ist die Bronzeplastik eines Pferdekopfes zu sehen - sie verweist auf die Dioskuren Kastor und Polydeukes als Pferdebändiger. Und sie tritt in Dialog zu ausgewählten Werken der Städel-Sammlung. Wie etwa einer Zeichnung aus dem Jahr 1520 von Jacopo Pontormo, die ebenfalls das Bruderpaar zeigt.

So schließt sich der Kreis der Kunst über Jahrhunderte – und „Zeit“ wird im Sinne von Michael Anthony Müller ein relativer Moment. 

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