Ein Panoptikum heutiger Frauen
Frauen können alles, dürfen alles, ist doch normal unter aufgeklärten Leuten. Seltsam bloß, dass sie dabei verdächtig oft unter genau dem Aspekt begutachtet werden, dass sie es als Frauen tun. Dieser diskursiven Endlosschleife fügt die Stuttgarter Künstlerin Hannah Kohler nun einige reizvolle Volten hinzu.
In 24 Porträts stellt sie ein Panoptikum heutiger Frauen vor, zwischen Kette rauchender Prollo-Lady, Wissenschaftlerin, Mutter, Hippietante und Rampensau.

Inszeniert, aber nicht beliebig
„Und das Sehen ist dann ein permanenter Abgleich zwischen dem, was wir da draußen sehen und dem, was wir an inneren Bildern in uns tragen. Und dann gibt es Match- und Miss-Match-Verhältnisse zwischen beidem und Zuschreibungen, Mißidentifikationen und dergleichen.“ sagt der Kunstwissenschaftler Michael Lüthy über Hannah Kohlers Frauenfotos.
Die sind alle inszeniert, aber nicht beliebig ausgedacht. Vielmehr konstruiert Hannah Kohler ihre Portagonistinnen aus dem, was weibliche Promis in Interviews so daherplaudern, und aus spontanen Gesprächen mit Unbekannten auf der Straße.

Erinnert stellenweise an August Sander
Es entstehen Kippbilder zwischen Bühne und Bodenhaftung, zur Kenntlichkeit verzerrte Rollenklischees von Frauen aller Alters- und Lebenslagen. Ein wenig erinnert das an August Sander, der vor hundert Jahren den wagemutigen Plan anging, mittels Porträts ein umfassendes Bild der Gesellschaft auf Fotoplatten zu bannen.
Auf besonders unsicheres Gender-Terrain führt beispielsweise das Bild der Motorradfahrerin. Hannah Kohler verkörpert sie als großspurige Raserin, die vom röhrenden Auspuff schwärmt. Dieses Soziotop kennt die Künstlerin gut, sie fährt selbst Motorrad.
Die von Kohler dargestellten Frauen schlagen sich mit Kampfsport, Weichspüler oder Gurkenmaske durchs Leben – ohne jemals zu verraten, was davon realen Personen entspricht und was nicht.
