Wanduhren, Regenschirme, Herrenhemden, Toilettenpapier oder Schuhbürsten – der türkischstämmige Objektkünstler Gökçebağ arrangiert banale Alltagsgegenstände neu und erhebt sie damit zur Kunst. Das Museum Ritter in Waldenbuch widmet ihm mit „Twist & Turns“ eine Ausstellung.

Das Eckige muss ins Runde: Neue Ausstellung am Museum Ritter
Acht runde Wanduhren aus Metall, quadratisch angeordnet. Die feststehenden Zeiger sind so ausgerichtet, dass sie ebenfalls ein Quadrat nachzeichnen. „Times Square“ lautet der Titel des irritierenden Spiels mit der Weltuhrzeit, das aus gutem Grund gleich bereits im Foyer des Museums in die Ausstellung lockt. Denn das Quadrat steht nicht nur für die Schokolade aus dem Hause Ritter, es ist auch der Sammlungsschwerpunkt von Marli Hoppe-Ritter.
„Wir hatten vor einigen Jahren mal eine Ausstellung zum Thema ‚Das Runde muss ins Eckige‘, deswegen ist jetzt mal gefragt, das Gegenteil zu präsentieren. Also in dem Fall muss das Eckige ins Runde.“
Kreis und Quadrat, geometrische Formen, mit denen der in Hamburg lebende türkischstämmige Künstler Şakir Gökçebağ auch in vielen anderen Wandinstallationen spielt, wie etwa in seinem „Goldenen Schnitt“. Eingefasst in einem 1,5 m auf 2,4 m großen Rahmen hat er unzählige Stückchen eines auseinandergeschnittenen gelben Gartenschlauchs nebeneinander geklebt.
Oder aber, wenn er aus einem Teppich unterschiedlich große Ringe ausschneidet und auf einer Länge von mehreren Metern an die Wand heftet – angeordnet wie die olympischen Ringe.

Şakir Gökçebağs Alltagsgegenstände sind gleichzeitig wiedererkennbar und abstrahiert
Dem Künstler gehe es eben auch darum, dass die Materialien, die er verwendet, als Alltagsgegenstände wiedererkennbar seien, erklärt Museumsleiterin Barbara Willert.
„Er spricht selbst von universalen Objekten, die er einsetzt und es ist ihm wichtig, dass sie auf allen Kontinenten im Grunde wiederzufinden sind. Wenngleich natürlich der Alltagsgegenstand selbst eine wahnsinnige Aufwertung erfährt, indem er nämlich Teil eines Kunstwerkes wird.“
Wie zum Beispiel Schuhbürsten, die in Reih und Glied zu Rauten an der Wand montiert sind und in ihrer Ornamentik an Grundmuster orientalischer Teppiche erinnern oder eine Installation aus in Streifen zerschnittenen Herrenhemden. In der Mitte die Hemdkragen und drum herum die Streifen, konzentrisch angeordnet. Ein tiefenräumlich wirkendes Stofflabyrinth, das wie eine optische Täuschung mit der Wahrnehmung spielt. Nicht umsonst lautet der Titel des Werks auch „Perfection“.

„Er arbeitet extrem präzise und setzt messerscharfe, präzise Schnitte auch in die Materialien, die er verwendet.“
„Trans-layers“: Toilettenpapier ist nicht gleich Toilettenpapier
Dass Şakir Gökçebağ großen Wert auf streng geometrische Formen und Präzision legt, zeigt auch die Wandinstallation „Trans-layers“: rund 200 Toilettenpapierrollen, verbunden durch abgerolltes Papier, mal straff gespannt, mal durchhängend.

Das Museum, das dem Künstler beim Aufbau zur Seite stand, organisierte die Rollen über die hauseigene Putzfirma. Da aber Toilettenpapier nicht gleich Toilettenpapier ist, mussten bestimmte Anforderungen erfüllt sein. So etwa die kreisrunde Form des inneren Kartons:
„Dem Künstler war darüber hinaus wichtig, dass die faltenartigen Schwingungen der Klopapierblätter, die wir hier sehen einfach wirklich sehr, sehr rund und schwungvoll rüberkommen und nicht irgendwie eine gezackte, stakkatohafte Schwingung zeigen.“

In Gökçebağs Vision wird ein Gummistiefel zur Spinne
Mit seinen geometrisch arrangierten Alltagsgegenständen steht Şakir Gökçebağ ganz in der Tradition des Minimalismus und des „Nouveaux Réalisme“ der 60er-Jahre. Einer Tradition, mir der er nur in einem Werk bricht.
In einer Ecke, oben im Ausstellungsraum, hat er aus einem zerschnittenen Gummistiefel eine große schwarze Spinne geformt. Manch ein Besucher der äußerst witzigen Ausstellung wird es dem Objektkünstler wohl danken, dass er hier vom Leitmotiv der Akkumulation, also der massenhaften Anhäufung, abgesehen hat.
Şakir Gökçebağ „Twist & Turns“
Ausstellung im Museum Ritter Waldenbuch
16. Oktober 2022 bis 16. April 2023
Ausstellung Zeit, Sterblichkeit und Liebe: Michael Anthony Müller im Städel Museum Frankfurt
Michael Anthony Müller gehört neben Künstlern wie Andreas Mühe zu den prägenden Figuren der deutsche Gegenwartskunst. Der in Ingelheim am Rhein geborene Müller hat englisch-indische Wurzeln, wohnt und arbeitet in Berlin. Davor lebte er viele Jahre in Indien in einem Kloster. Seitdem beschäftigt er sich mit der Bedeutung von Zeit, Sterblichkeit und Liebe. Die griechische Antike spielt in Müllers 6x65 Meter großen Leinwandarbeit „Der geschenkte Tag" dabei genauso eine Rolle, wie die beeindruckende Idee, mit einem abstrakten Kunstwerk eine Geschichte zu erzählen.