Gut 60 Werke werden von der 1981 geborenen Hamburger Künstlerin im Remagener Arp Museum gezeigt. Franziska Nast kommt vom Buchdruck und tätowiert unter anderem Säulen ebenso wie Körper. Ihr Leben und die Kunst wird in Rolandseck jetzt museal – oder besser: das Museum durch sie lebendig.
Videoarbeiten konservieren Prozesse des Werdens und Vergehens
Die erste Videoarbeit der Ausstellung heißt „Rücken (women in the city)“ und zeigt die Künstlerin bei der Gymnastik. Drei Bildschirme samt Lautsprecher bilden ein Videotriptychon. Franziska Nast steht da barfuß in langer Unterwäsche und rollt langsam die Schultern. Ihr Kopf richtet sich dabei immer weiter auf. Entspannen üben, wenn Verspannung droht: Franziska Nast horcht in sich rein – und macht dann sehr haltbare Kunst draus.
Zwei andere Videoarbeiten der Hamburgerin konservieren Prozesse des Werdens und Vergehens. Da läuft im Raum „Family Affairs“ ihr Leben im Schnelldurchlauf ab: Fotos aus der Schwangerschaft, das Familienleben, die Kinder werden schnell groß.

Vom Video zum klassischen Daumenkino
Franziska Nast ist gelernte Buchgestalterin und hat auch den umfangreichen Katalog zu ihrer Ausstellung im Arp Museum gestaltet. Das Video mit den Fotoclips ihrer Lebensstationen taucht da ein zweites Mal auf – als klassisches Daumenkino. Die Fotoreihe in dem Buch ist sehr opulent ausgefallen; bringt es auf fast 500 Seitenecken. Ein Spaß, das durchzublättern.
Auf weiteren Bildschirmen in dem Richard-Meier-Bau verbrennen fünf Buchstaben. Jedem hat Franziska Nast einen eigenen Monitor gegönnt. Es seien ursprünglich Buchstaben aus Papier gewesen, für eine Kirche gebaut, erzählt sie. „Is not“ stand darauf. Da sie die Arbeit nicht transportieren, aber auch konservieren und behalten wollte, kam sie auf die Idee, die Asche mitzunehmen: „Die Buchstaben sind also verbrannt, aber die Asche hab ich noch.“
Kunstwerke mit einer Haltwertzeit von 25 Jahren
Das ist einer von vielen Transformationsprozessen, die sich im schnell anwachsenden Werk der Künstlerin finden lassen. Zwei Urnen stehen hinter Glas, Franziska Nast hat sie dicht mit Tätowiertinte beschriftet. Entstanden ist da etwas Bleibendes, wenn auch nicht für die Ewigkeit. Die gewählten Materialien der Urnen sind Kork und Karton - und haben eine Halbwertzeit von 25 Jahren.
Ein großes Werk zeugt von ihrem Kampf gegen den großen Zeitfresser Internet. An der Wand hängen raumhoch und wild durcheinander selbst gehäkelte Schals und Lappen aus Wolle in den knalligsten Farben. Ganz oben ist das Wort W-Lan zu lesen. Franziska Nast hat diese aktuelle Arbeit aus dem vergangenen Jahr „Häkeln gegen Instasucht“ genannt: „Ich habe meistens die Zeit, die ich im Insta gescrollt hab, verhäkelt, um mir das sozusagen zu visualisieren.“

Kärchern vorm Museum
Texte und Dinge, die ihr und uns im Alltag begegnen oder in der Popkultur, scheint die Künstlerin geradezu aufgreifen zu müssen – um festzuhalten, was verschwindet. So hat sie viele von den kleinen Fingernagel-Tattoos gesammelt und damit eine Handprothese beklebt, sie nur so mit Botschaften übersät. Aus vielen kleinen Symbolen ist eine dichte Narrativ-Wolke entstanden. Das Werk hat sie abfotografiert, stark vergrößert und in einem komplizierten Verfahren auf Reispapier gedruckt.
Und wenn alle kärchern, tut sie das auch: Franziska Nast ist mit einem Hochdruckreiniger vors Museum gezogen und hat die Platten vor dem Eingang teilweise gereinigt – in hellen Riesen-Lettern steht da jetzt der Titel der Schau „RRRRReality“ – mit fünf R. Dürfte gar nicht so leicht wegzukriegen sein.
Etwas zu dick trägt dagegen der in die Ausstellung integrierte Fanshop auf. Von Franziska Nast gefärbte Sweatshirts gibt es da zu kaufen oder einen Fanschal in limitierter Auflage. Mit Textschnipseln bedruckte Sitzsäcke kosten mindestens eintausend Euro. Immerhin: Die Sitzsäcke müssen auch nach dem Kauf noch weiter im Arp Museum Bahnhof Rolandseck liegen bleiben – bis zum Ausstellungsende am 17. September.
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