Ausstellung

„Reine Formsache“ – Kunsthalle Weishaupt in Ulm zeigt konstruktiv-konkrete Kunst

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AUTOR/IN
Rainer Schlenz

Die konkrete Kunst war eine besondere Leidenschaft des Sammlers Siegfried Weishaupt. Die Ausstellung „Reine Formsache“ in Ulm zeigt nun hochkarätige Werke seiner Sammlung von Piet Mondrian bis in die Gegenwart. Es ist Kunst aus geometrischen Formen, die trotz ihrer Nüchternheit einen emotionalen Sog entfaltet, dem man sich kaum entziehen kann.

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Die emotionale Wirkung von Farbe

Zugegeben, der Titel des Bildes von Richard Paul Lohse, „Neun horizontale und neun vertikale Farbreihen“, klingt etwas spröde. Aber wie unmittelbar das kraftvoll leuchtende Farbspektrum in den durchkomponierten Rechtecken auf unsere Sinne wirkt, ist frappierend.

Kunsthalle Weishaupt, Ausstellung "Reine Formsache", konkrete Kunst (Foto: VGT Bild-Kunst, Bonn 2022)
Richard Paul Lohse: "Neun horizontale und neun vertikale Farbreihen", 1950/1985. VGT Bild-Kunst, Bonn 2022 Bild in Detailansicht öffnen
Piet Mondrian ist wohl der bekannteste Vertreter der konkreten Kunst. "Komposition mit Rot, Schwarz, Gelb, Blau und Grau, 1922. Mondrian / Holtzman Trust c/o HCR International US Bild in Detailansicht öffnen
Konkrete Gegenwartskunst aus der Schweiz: Philippe Decrauzat: "Pause V", 2020. beim Künstler Bild in Detailansicht öffnen
Beginnt bei näherer Betrachtung zu Flimmern: Bridget Riley: "In Attendance", 1983. bei der Künstlerin Bild in Detailansicht öffnen
Frank Stella: Sidi Ifni I, 1965. VG Bild-Kunst, Bonn 2022 Bild in Detailansicht öffnen

„Auf mich wirkt Farbe positiv und sehr emotional und stark. Hier ist es die Farbe, die die attraktive Komponente des Bildes darstellt“, sagt Kathrin Weishaupt-Theopold, die Direktorin der Kunsthalle Weishaupt.

Konkrete Kunst ist die Leidenschaft des Sammlers Weishaupt

Auch ihr 83-jähriger Vater, der Sammler Siegfried Weishaupt selbst, betrachtet die Ausstellung alles andere als abgeklärt. „Das ist Freiheit“, sagt er über die radikal gegenstandslose und geometrische Bildsprache der Werke. Auch nach mehr als fünf Jahrzehnten des Sammelns löst sie in ihm noch immer Aufregung aus.   

Dabei strotzen die insgesamt 63 Arbeiten vor Dynamik, sie sind zum Teil regelrecht ausgelassen, entfesselt, fröhlich. Und das ist gar kein Widerspruch zu ihrer Strenge.

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Kathrin Weishaupt-Theopold sagt, dass mit dieser Ausstellung ein zentraler Punkt der Passion ihres Vaters sichtbar würde: „Die Begeisterung für die konstruktive Kunst zieht sich bei ihm wie ein roter Faden durch seine gesamte Sammlerleidenschaft, die sich ja schon über fünf Jahrzehnte erstreckt.“

Von Mondrian bis in die Gegenwart 

Die Bandbreite der Ausstellung „Reine Formsache“ ist enorm: Da sind die Gründungsväter der konstruktiven Kunst wie Piet Mondrian mit seinen schwarzen Linien, weißen Flächen und Farbfeldern vertreten.

Und ebenso zeigt Weishaupt auch Kunst unserer Zeit, wie die labyrinthartige Quadratkonstruktion aus blau-schwarz-weißen Linien des Schweizer Künstlers Philippe Decrauzat.

Auch in puncto Farbe spannt die Ausstellung einen großen Bogen: Von einer zurückhaltend, in grau-braun Schattierungen gehaltenen Arbeit von Josef Albers bis zu einer schrill-bunten Konstruktion aus x-förmig angeordneten, strahlenden Neonröhren des Schweizers John Armleder.

Op-Art bei Bridget Riley

Es gibt zudem Skulpturales und ein Ölgemälde aus verschiedenfarbigen Rauten der Engländerin Bridget Riley, das Dreidimensionalität vortäuscht: „Die Diagonalen sind so geschickt inszeniert, dass die auf der Leinwand zu flimmern beginnen und nach vorne und zurücktreten, dass sich ganz im Sinne der Op-Art optische Täuschungen beim Betrachten des Bildes einstellen.“

Die Ausstellung räumt auf beeindruckende Weise mit dem Klischee auf, dass sich mathematische Klarheit in Nüchternheit ergehen muss. Die „Reine Formsache“ des Siegfried Weishaupt hat jedenfalls viel Lustvolles, Unmittelbares und Spielerisches zu bieten.      

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