Der Berliner Künstler Felix Kiessling verwandelt den Kunstverein Heilbronn in einen verspielten Parcours, mit selbst spielendem Kontrabass, Schrottauto und der Echtzeit-Wiedergabe von Blitzen und Erdbeben. „Ich spiele wie ein Kind“, sagt Kiessling, „und möchte gleichzeitig ein Gefühl für den ganzen Planeten erzeugen, auf dem wir stehen.“
Der Natur den Teppich ausrollen
Ursprünglich wollte der Berliner Installationskünstler Felix Kiessling im Heilbronner Kunstverein den roten Teppich ausrollen, im ganz großen Stil: Die beiden weißen Würfel des Gebäudes sollten bis in den letzten Winkel mit knallroter Rollware ausgelegt werden – was leider rein technisch nicht ging.
Als Geste aber war die Idee absolut passend, denn Zeremonienmeister Kiessling geht es um niemand geringeren als, nun ja, Mutter Erde.
„Ich möchte ein Gefühl für das, worauf wir stehen vermitteln und selber auch empfinden, während ich die Arbeit anschaue. Wir sind Teil eines großen Ganzen, und sind nicht isolierte Einzelschicksale. Und ich hoffe, dass diese Gemeinschaftlichkeit dabei auch irgendwie dargestellt wird.“
Mutter Erde ohne Pathos
Das könnte man missverstehen als kuschelige oder pathetische Inszenierung eines wabernden Gaia-Mythos. Doch ein einziger Blick in die Runde zeigt: Dies hier ist kein bisschen gefühlsduselig.
Der erste Raum ist komplett leer bis auf eine flackernde Glühbirne, die einsam und verloren von der hohen Decke baumelt. Und im zweiten, größeren Saal findet sich ein wilder Mix aus Lichteffekten, Altmetall, abstrakter Malerei und urbanem Schrott.

Am rätselhaftesten aber ist ein leibhaftiger Kontrabass, der wie von Geisterhand einen permanenten, sich langsam verschiebenden Akkord erzeugt.
„Über dieses Instrument wird die Schumann-Frequenz abgebildet – eine Tiefen-Frequenz, die mit unserer Wahrnehmung nicht erfassbar ist“, sagt Kissling. „Es ist eine Frequenz, die immer da ist, um uns herum zischt und dadurch entsteht, dass Blitze in die Erdatmosphäre eindringen.“
Die Erde als Klangkörper
Die Erde, ein Klangkörper. Neben der Schwingung der Schumann-Frequenz macht Kiesslings Installation noch andere Naturkräfte präsent, alle in Echtzeit: Die Glühbirne im ersten Raum flackert, wenn sich irgendwo in der Lufthülle der Erde ein Blitz entlädt.
Und im zweiten Raum klopfen Eichenäste immer dann gegen die Museumswand, wenn sich in den Tiefenschichten der planetaren Tektonik ein Beben ereignet. Doch bevor so was wie Erhabenheit angesichts von Naturgewalten aufkommt, schiebt der Künstler Plastik-Stadion-Sitze aus den 70er-Jahren in die Ausstellung, sowie einen schrottreifen, runtergerockten Mercedes, dessen Türgummis schon Moos ansetzen.
Große Fragen zwischen quietschbunten Rätseln
Das Ganze ist eine große Spielwiese. Felix Kiessling richtet einen Wahrnehmungs-Parcours ein, der oszilliert zwischen quietschbunten Rätseln, Weltbewusstsein und Präsenz im Augenblick: Erdkunde, mal ganz anders.
Und er behauptet zwar, das alles ganz naiv und spielerisch zu tun, aber das lässt ihm Kuratorin Matthia Löbke dann doch nicht durchgehen: „Selbst wenn der Künstler sagt, dass jetzt die politischen Fragen nicht im Vordergrund stehen, schwingt es natürlich mit. Was passiert, wenn dieses Gleichgewicht in Unordnung gebracht wird, zum Beispiel durch Klimawandel? Ich glaube, diese Frage lässt keinen unberührt.“
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