Mensch und Maschine machen Text
Es sieht aus wie eine Anzeigentafel auf dem Flughafen: Auf Knopfdruck rattern Buchstaben über den Bildschirm, um sich dann nach dem Zufallsprinzip zu immer neuen Sätzen zu formieren. Der Poesie-Automat von Hans Magnus Enzensberger wirft Fragen nach dem Dichter auf: Denn, obwohl vom Autor mit Worten gefüttert, scheint letztlich die kreative Kraft des Computers die Zeichen zu lenken.

Zeichen als Schlüssel zur Geheimsprache
Die neue Marbacher Ausstellung lenkt den Blick vom Text auf Zahlen, Bilder, auf Computer- oder auch Geheimsprachen. Eduard Mörike zum Beispiel: Der habe schon als 14-Jähriger seine Texte verschlüsselt, erzählt Kuratorin Vera Hildenbrandt.
„Punktpunktkommastrich“ – so winzig die Zeichen sind, so mächtig sind sie. Eine andere Reihenfolge, ein anderer Kontext – und schon stellen sich ganz neue Bedeutungen ein. Wie kreativ und funktional Dichterinnen und Dichter die Zeichen in ihre Werke einbauen, zeigen die Beispiele im Hauptraum dieser Ausstellung. Oskar Pastior übersetzt ein Anagrammgedicht in einen poetischen „Schaltplan“ und in seinen „gewichteten Gedichten“ verbindet er die Buchstaben mit Zeichenwerten.
Biografie per „Glücksrad“ schreiben

Wie man auf raffinierte Art das autobiographische Schreiben revolutioniert, zeigt der mittelalterliche Computer, den sich Dieter Kühn bauen ließ: Fünf aufeinander montierte kreisrunde Holzscheiben, die an ein Glücksrad erinnern. Jede Scheibe ist mit Zeichen versehen, die einen konkreten Bezug zum Leben Dieter Kühns darstellen, erklärt Hildenbrandt: „Sei es sein Werk, seine Freunde, seien es Reisen, die ihn beschäftigt haben, Malerei oder Musik. Diese Schreiben lassen sich gegeneinander drehen. Und Dieter Kühn hat das tatsächlich seine Lebensgefährtin tun lassen, die ihm so etwa 80 Seiten seiner autobiographischen Romans 'Das magische Auge' zusammengewürfelt hat.“