"Power to the people" | Politische Kunst in der Schirn Frankfurt

Kunst für Krisenzeiten

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Wilm Hüffer
Wilm Hüffer, SWR2 Moderator und Redakteur (Foto: SWR, Oliver Reuther)

Am 20.3.2018 von Martina Conrad

Krisen der Demokratie sind produktive Zeiten für politische Kunst. Die Schau „Power to the People“ in der Frankfurter Schirn ist eine internationale Bestandsaufnahme mit 43 Werken. Anstelle aktueller Bezüge setzt sie auf geschichtliche Reflexion, erinnert an Vietnamkrieg, Kalten Krieg, Notstandsgesetze und Hochschulreform.

Protest und Masse: Bewegung nur in Solidarität

100 Fahnen hat Phyllida Barlow vor drei Jahren auf rohe Sperrholzstangen gestellt. Mit Sandsäcken befestigt, stehen sie jetzt vor der Schirn. Protest ist die erste Botschaft, Masse die zweite. Nur solidarisch kann man etwas bewegen. Doch wo bleibt diese Solidarität, in Zeiten mieser Wahlbeteiligung und des Brexits?

Schlafende Politiker am Konferenztisch

Unweit davon das Bild von schlafenden Politikern am Konferenztisch - und das Wahlkabinenmuseum. Es sind keine plakativen, aufrührerischen Werke, die die Schirn jetzt als zeitgenössische politische Kunst vorstellt, sondern es sind deren Randerscheinungen.

Konjunktur der politischen Kunst

Der Direktor der Schirn, Philipp Demandt, sieht eine neue Konjunktur für die politische Kunst während der letzten Jahre: „Im Westen Trump, im Osten Putin, im Norden Theresa May und im Süden Erdogan. Direkt vor unserer Haustür in Ungarn, in Polen: Überall entstehen neue postdemokratische autoritäre Regime. Da ist es eigentlich an der Zeit darüber nachzudenken, welchen Beitrag die Kunst leistet in den letzten Jahren, auch im Sinne des Protestes und im Sinne der Auseinandersetzung mit dem Freiheitsbegriff, mit dem Demokratieverständnis.“

Politische Erinnerungen statt aktueller Bezüge

Die Ausstellung „Power to the people“ spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen. Es gibt jedoch keine direkten Bezüge zur Flüchtlingskrise oder zum arabischen Frühling. Subtil wird vielmehr an politische und individuelle Erinnerungen appelliert.

Etwa wenn Tobias Donat auf einem Leuchtkasten ein Netzwerk aus Händen präsentiert. Sein Titel „Agreement“: „Spannend finde ich, dass man das Symbol des Handschlags bis in die Antike zurückverfolgen kann – Münzen, Relief, Grabsteine. Und dass dieses Symbol des Handschlags für viele Leute gegenwärtig ist, da der Handschlag auch Teil des Logos der SED Partei aus der DDR war. Und eigentlich eine ganze Generation mit diesem Handschlag als Symbol aufgewachsen ist.“

Auch die Medien spielen in der Schirn natürlich eine Rolle. 5.000 Likes hat der Amerikaner Mark Flood in Form sich wiederholender Gemälde aufgetürmt. Twitter lässt grüßen. Und auch Fake News sind ein wichtiges Thema.

Kunst für das Museum - oder für die Straße?

„Power to the people“ ist eine vielfältige Ausstellung mit divergierenden Tendenzen, nur ein Ausschnitt dessen, was Künstler derzeit politisch in Frage stellen. Aber gerade wenn man die 68er Bewegung reflektiert, gibt es doch Unterschiede. Künstler machen heute politische Kunst fürs Museum. Künstler damals agierten auf der Straße, und aus ihren Plakaten wurde Kunst.

„Die Revolution stirbt nicht an Bleivergiftung!“

Ein Bild von Rudi Dutschke mit dem Slogan „Die Revolution stirbt nicht an Bleivergiftung!“ war 1968 auf jeder Demo zu sehen. Der Grafiker und Künstler Thomas Bayrle hat es gemacht. Heute hängt es in einer Ausstellung auf dem Frankfurter Uni-Campus. Ein Kontext, der zeigt, dass politische Kunst heute anders funktioniert als gestern.